Lars Lamowski: „Die Schulleitungen in Rheinland-Pfalz sind unzufrieden mit der Bildungspolitik, da sie sich nicht nach der tatsächlichen Schulrealität richtet und sie finanziell und personell ungenügend ausstattet ist. Dabei sind die Herausforderungen groß. Wir brauchen eine nachhaltige Bildungspolitik, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen an den Schulen deutlich verbessert, um die vielfältigen Herausforderungen im Bildungsalltag zu bewältigen und die Qualität der schulischen Arbeit langfristig zu sichern.“
Der Verband Bildung und Erziehung Rheinland-Pfalz (VBE) stellt heute im Rahmen des Deutschen Schulleitungskongresses (DSLK) seine jährliche Repräsentativbefragung der Schulleitungen vor. Bei der von forsa durchgeführten Umfrage wurden 1.312 Schulleitungen befragt, davon 113 aus Rheinland-Pfalz. Die Ergebnisse zeigen, dass die drängendsten Herausforderungen weiterhin auf hohem Niveau stagnieren.
Lars Lamowski, Landesvorsitzender des VBE Rheinland-Pfalz, kommentiert die Ergebnisse: „Schulleitungen sollen ihre Schulen zukunftssicher führen und weiterentwickeln. Doch der Befund der Befragung zeigt klar, die Zeit reicht vorne und hinten nicht. 86 Prozent der Schulleitungen geben an, dass die Zeit hierfür nicht reicht. So kann Schule den Anforderungen, die an sie gestellt werden, nicht gerecht werden. Wir fordern keinen Luxus, sondern die Grundlage für gute Bildung. Schulleitungen brauchen Entlastung und Unterstützung, um ihrem Job nachzukommen. Fast alle befragten Kolleginnen und Kollegen fordern zusätzliche Leitungsstunden, multiprofessionelle Teams oder mehr Gestaltungsspielraum. Hinter all diesen Forderungen steht der Wunsch nach mehr Zeit.“
Mit Blick auf die Belastungsfaktoren und Verbesserungswünsche stagnieren die Befunde seit Jahren auf einem hohen Niveau. Zwar geben knapp 80 Prozent an, Ihren Beruf gerne oder sehr gerne auszuüben, doch nur 38 Prozent würden den Beruf aktiv weiterempfehlen – ein Wert, der sich seit 2021 kaum gebessert hat. Belastungsfaktoren wie das stetig wachsende Aufgabenspektrum (96 Prozent), steigende Verwaltungsarbeiten (96 Prozent), fehlende Zeitressourcen (93 Prozent) und der Erwartungsdruck, gesellschaftliche Probleme lösen zu sollen (93 Prozent), führen dazu, dass 45 Prozent der Schulleitungen ihre Aufgaben nur noch gelegentlich oder nie zu ihrer eigenen Zufriedenheit erfüllen können.
Oliver Pick, stv. Landesvorsitzender und Geschäftsführer des VBE Rheinland-Pfalz, ordnet die Befunde ein: „Schulleitungen leiden seit Jahren unter den gleichen Missständen, eine Verbesserung lässt sich nicht erkennen. Selbst ohne die zusätzlichen Herausforderungen, die immer wieder auf die Schulen abgewälzt werden, wäre dies ein unhaltbarer Zustand. Wir leben allerdings in Zeiten, in denen wir immensen gesellschaftlichen Herausforderungen begegnen müssen. Daher bedeutet Stagnation einen Rückschritt. Warum die Kolleginnen und Kollegen den Beruf trotzdem weiterhin ausüben? Wegen der Schülerinnen und Schüler (48 Prozent), wegen des Kollegiums (29 Prozent) und ihres Willens, Schule zu gestalten (28 Prozent). Seitens der Politik kann man froh sein, dass die Schulleitungen trotz der Situation nicht aufgeben. Ohne dieses Engagement stünden wir vor deutlich größeren Herausforderungen.”
Die aktuelle Umfrage zeigt auch, dass der Lehrkräftemangel weiterhin ein zentrales Problem für Schulleitungen bleibt. Im Schnitt fehlen pro Schule 0,8 Lehrkräfte. Da aber 60 Prozent der Schulen alle Stellen besetzen konnten, bedeutet dies, dass betroffene Schulen umso mehr offene Stellen zu beklagen haben. Auch hier stagnieren die Ergebnisse. Zudem werden die Stellen auf Kosten der Qualität besetzt: An 60 Prozent der Schulen arbeiten Personen als Lehrkraft, die keine vorhergehende Lehramtsqualifikation erworben haben.
Erstmals wurden die Schulleitungen befragt, worauf Schulleitungen bei staatlichen Fortbildungsangeboten Wert legen. Demnach wünschen sich Schulleitungen, dass sich die Angebote inhaltlich besser an den Herausforderungen des Schulalltags orientieren (57 Prozent) und eine bessere Planbarkeit in Form fester Zeitfenster, um eine regelmäßige Struktur für Fortbildungen festzulegen (54 Prozent). Gut ein Drittel der Schulleitungen bemängelt allerdings auch die Qualität des derzeitigen Fortbildungsangebots.
Mit Blick auf die Ergebnisse fordert Lamowski: „Schule muss neu gedacht werden. Wir müssen die Rahmenbedingungen und die zugrunde liegenden Strukturen verändern, um die Schulen fit für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu machen. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen mehr Zeit. Daher fordern wir mehr Leitungszeit, damit die Schulleitungen Raum bekommen, die Schulen weiterzuentwickeln. Mehr Stunden für die Sekretariatskräfte, um die Schulleitungen von den vielen Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Es müssen die jetzt fertig ausgebildeten Lehrkräfte eingestellt werden, um dem Mangel in den Schulen nachhaltig zu begegnen. Dazu brauchen wir mehr Planstellen im System. Zudem brauchen wir multiprofessionelle Teams, die fest an den Schulen verortet sind, bestehend aus Schulsozialarbeit, Schulpsychologie, Förderlehrkräften und weiterer Professionen wie beispielsweise Logopädie. Um diese effizient einzusetzen, sollten diese im Grundschulbereich in Regionale Grundschulnetzwerke eingebettet werden. So können die Schulen den Schülerinnen und Schülern wieder gerecht werden.