Rheinland-Pfälzische Schule

Von Autorität zu Nähe Kleidungsstile im Klassenzimmer

Kleidung  Spiegel der Identität und Professionalität

Die Entwicklung der Kleidung von Lehrkräften ist nicht nur ein Spiegelbild der modischen Strömungen, sondern auch ein spannendes Zeugnis sozialer Dynamiken, die den Bildungssektor und die Rolle der Lehrenden prägen.

Heute ist die Bandbreite in der Bekleidung von Lehrkräften breit – sie ist ein Zeichen für eine offene, progressive Gesellschaft, die Wert auf Individualität und persönliche Ansprache legt. 

Je nachdem, wofür sich Lehrkräfte bei der Kleidungswahl entscheiden, hat es Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Lehrerinnen und Lehrern und ihren Schülerinnen und Schülern. Etwa auf die Wahrnehmung von Autorität und Professionalität. Ein gepflegter und angemessener Kleidungsstil kann dazu beitragen, dass Lehrkräfte als kompetent und respektabel wahrgenommen werden. In vielen Fällen führt eine formelle Kleidung zu einer höheren Akzeptanz der Autorität im Klassenzimmer, während ein lässigerer Stil eine informellere Beziehung fördert.

Solche Stile schaffen oft eine Atmosphäre der Nähe und vermitteln das Gefühl, dass die Lehrkraft nicht nur als Autoritätsperson, sondern auch als Mensch verstanden wird. Diese Nähe kann Schüler dazu ermutigen, offener in ihren Gedanken und Fragen zu sein und die Kommunikation zu erleichtern.

Vorbildfunktion

Lehrkräfte fungieren oft als Vorbilder für ihre Schüler. Indem sie positive Werte wie Authentizität, Individualität und Stilbewusstsein durch ihre Kleidung kommunizieren, können sie ihre Lernenden inspirieren, diese Werte ebenfalls zu schätzen und zu leben. Zum Beispiel könnte eine Lehrkraft, die umweltfreundliche Kleidung trägt, Diskussionen über Nachhaltigkeit anstoßen und Schüler dazu ermuntern, bewusste Konsumentscheidungen zu treffen.

Kulturelle Sensibilität und Vielfalt

In einer zunehmend vielfältigen Gesellschaft ist die Berücksichtigung kultureller Unterschiede in der Kleidungswahl von Bedeutung. Lehrkräfte, die den kulturellen Hintergrund ihrer Schüler respektieren und in ihre Kleidung integrieren, können ein Gefühl der Zugehörigkeit und Akzeptanz fördern. Indem sie die Vielfalt in ihrem eigenen Stil widerspiegeln, können Lehrkräfte dazu beitragen, Barrieren abzubauen und ein inklusives Lernklima zu schaffen. Dies ermutigt Schüler, sich selbst auszudrücken und sich sicherer zu fühlen, was sich positiv auf ihre Lernmotivation auswirkt.

Die Balance zwischen Professionalität und Zugänglichkeit ist entscheidend: Lehrer, die sich authentisch und wohl in ihrer Kleidung fühlen, strahlen häufig mehr Selbstbewusstsein aus. Dies fördert wiederum das Vertrauen der Schüler in ihre Lehrkraft.

 

Um 1800 – Respektspersonen

Im 19. Jahrhundert prägten männliche Lehrkräfte das Bild des schulischen Alltags mit markanten Merkmalen wie langem Haar, prunkvollen Jacken und Rüschen. Diese opulenten Kleidungsstücke spiegelten nicht nur die damalige Mode wider, sondern auch die gesellschaftlichen Werte einer Zeit, in der Bildung als respektable, jedoch oft auch starre Profession galt. Die Erscheinung dieser Lehrer deutet auf eine strikte Hierarchie hin.

1900 – Echte Profession

Mit dem Übergang ins 20. Jahrhundert erlebte die Mode einen Wandel. Die Lehrkräfte traten nun in Anzügen und mit strengem Haarschnitt auf, was den gesellschaftlichen Trend zu einer konservativen und professionellen Bildungsumgebung unterstrich. Diese formelle Erscheinung war nicht nur Ausdruck des Status der Lehrkräfte, sondern reflektierte auch das wachsende Bewusstsein für Disziplin und Seriosität im Bildungsbereich.

1910 – Seriös und Uniform

Die Mode der Männer vor dem Ersten Weltkrieg sollte vor allem seriös wirken. Wie auf dem Bild zu sehen ist, waren ordentlich und unspektakulär die dominierenden Trends auch bei männlichen Lehrkräften. Männer trugen häufig eng anliegende Jacken wie Sakkos, dazu andersfarbige Hosen und Krawatten. Obligatorisch waren meist ein Hut und manchmal ein Gehstock. Auffällig war, dass diese Kleidung von allen Schichten getragen wurde.

1920 – Weiblichkeit kommt

Anfang des 20. Jahrhunderts traf man vermehrt weibliche Lehrkräfte in Bildungseinrichtungen. Zunächst waren Frauen vor allem in Volksschulen tätig, während ihnen der Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen verwehrt blieb. Frauen unterlagen in dieser Zeit strengen modischen Zwängen: Ihre Kleidung war oft geprägt von Enge und Einschränkungen, die den gesellschaftlichen Vorstellungen von Anstand und weiblicher Anmut entsprachen.

1930 – Brillantine vor

In den 1930er-Jahren wurden komplette Anzüge erschwinglich für die Masse und damit auch für normale Lehrkräfte. Maßanzüge wurden seltener. Typischerweise trugen Lehrkräfte Anzüge mit Weste, breiten Schultern und einer schmalen Taille. Braun, Dunkelgrün und vor allem Grau waren vorherrschende Farben. Hüte wurden zunehmend verdrängt. Die Männer schmierten sich Brillantine ins Haar und kämmten es streng zurück.

1940 – Ohne Krawatte

Die 1940er waren geprägt von kriegsbedingtem Mangel. Es galt, mit kleinem Budget selbst zu nähen und einzukaufen. Jacken und Hosen wurden oft getrennt gekauft und kombiniert. Dazu kamen die sogenannten Button­-down­-Kragen-Hemden in Mode. Man trug es in der Regel nicht mit Krawatte. Die Bandbreite an Oberbekleidung für Männer wuchs: Polohemden, Pullunder und das weiße T-Shirt standen jetzt auch zur Auswahl.

1950 – Weniger Zwänge

Die 1950er-Jahre brachten einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der auch das Bild der Lehrkräfte prägte. Mit der Aufhebung des Lehrerinnenzölibats verloren viele der vorherigen modischen Zwänge für Frauen ihre Gültigkeit. Diese Lockerung spiegelte sich deutlich in der Kleidung wider. Lehrkräfte begannen, modischere und individuellere Kleidungsstile zu tragen, die Raum für persönliche Ausdrucksformen ließen.

1960 – Bunt und lässig

Vor allem in den 1960er-Jahren, einem Jahrzehnt des Aufbruchs und der Auflehnung gegen alte Normen, kam es zu einer Revolution im Lehrerinnenstil. Bunte Farben, lässige Schnitte und eine abgewandelte, oft verspielte Mode wurden zum Ausdruck einer neuen Freiheit und einer Identität, die sich auch im Klassenzimmer widerspiegelte. Insgesamt galt gegen Ende der 1960er-Jahre: Am Hals gern hochgeschlossen, aber am Bein sehr kurz.

1970 – Wilde Vielfalt

In den 1970er-Jahren verbreiteten sich Einteiler und Jeans in allen möglichen Varianten, wie beispielsweise die Jeanslatzhose auf dem Foto. Der Kleidungsstil wurde auch unter Lehrkräften immer vielfältiger. Einige Modetrends aus dieser Zeit werden auch heute immer wieder getragen: Schlaghosen, Plateauschuhe, Maxi- und Miniröcke, übergroße Sonnenbrillen. Neben Jeans wurden Polyester und Nicki massentauglich.

1980 – Breite Schultern

Breite Schultern, schmale Taille – das war angesagt in der Mode der 80er-Jahre. Um die Schultern möglichst breit wirken zu lassen, wurden in die Oberbekleidung Schulterpolster eingenäht. Auch im Lehrerzimmer ein viel getragener Trend. An den Beinen trug man Hosen in Karottenform  – oben weit und unten eng geschnitten. Aerobic war angesagt und brachte der Mode das Stirnband, Stulpen, Neonfarben und Leggins.

1990 – Coolness

Lässiger Stil und Coolness waren die prägenden Modetrends der 90er-Jahre auch in den Schulen. Jeans trug man als Hose, Kappe, Jacke oder Hemd. Die Mode war außerdem beeinflusst von Musikrichtungen. Die Technoszene bestärkte die Trends zu Hüfthosen, T-Shirts und Kapuzenpullovern mit auffälligem Druck und in grellen Farben. Grunge brachte Flanellhemden mit Karomuster und Lederstiefel.

2000 – Technologie überall

Zu Beginn des neuen Jahrhunderts spielte die Technologieentwicklung (Einführung des iPods 2001, Weiterentwicklung des Internets) eine wichtige Rolle und spiegelte sich in der Mode wider. Metallisch aussehende Stoffe waren sehr beliebt. An den Beinen trug man Skinny-Jeans und an den Füßen trugen Lehrkräfte ganzjährig Turnschuhe, im Sommer Birkenstocksandalen und imm Winter Ugg-Boots oder Stiefel mit Nieten.

2010 – Nerd-Look

Ein bemerkenswerter Trend in den späten 2000er-Jahren war der sogenannte Geek-Chic. Ungenannte Quellen haben ihn auch in Lehrerzimmern gesichtet. Geek-Chic bedeutet, sowohl Männer als auch Frauen trugen Brillen mit großen Gläsern und einem dunklen Rahmen. Der Nerd-Look war total angesagt. Dazu kombinierten viele einen ordentlichen V-Ausschnitt-Pullover oder ein klassisches Oberhemd bei Männern und Jungen.

Heute

Die individuelle Kleidungswahl von Lehrkräften spielt in der heutigen Zeit eine Rolle, die über das bloße äußere Erscheinungsbild hinausgeht. Sie ist ein Ausdruck von Persönlichkeit, Professionalität und Verbundenheit mit den Schülerinnen und Schülern.

Die persönliche Kleidungswahl der Lehrkräfte kann vermitteln, dass Individualität geschätzt wird. Wenn Lehrkräfte ihre eigene Stilrichtung zum Ausdruck bringen, zeigen sie, dass es in Ordnung ist, unterschiedlich zu sein und sich selbst treu zu bleiben. Darüber hinaus kann die individuelle Kleidung der Lehrkräfte die pädagogische Beziehung stärken. Lehrkräfte, die durch ihren Stil Authentizität ausstrahlen, wirken zugänglicher und nahbarer. Dies kann das Vertrauen zwischen Lehrenden und Kindern fördern und dazu beitragen, dass sich Lernende insgesamt wohler in ihrer Umgebung fühlen.

Also aufgepasst: Über die Kleidung wird immer eine Botschaft vermittelt – ob gewollt oder nicht. Kleidung beeinflusst das Auftreten und damit auch die Beziehungen zu Kindern und Jugendlichen.

Nina Braun