Rheinland-Pfälzische Schule

Recht in der Schule in Frage & Antwort

Das neueste Teuber-Schreiben bewegte am ersten Schultag das noch stille Wasser in den Lehrerzimmern des Landes gehörig. Zu Recht? Oder war es ein Sturm im Wasserglas? Neben dem pädagogischen Kontext ergeben sich auch rechtliche Fragen, zum Beispiel ob es sich bei Herrn Teubers Schreiben denn tatsächlich um einen Erlass handelt, dem Folge zu leisten ist und ob der Minister seine Kompetenzen überschreitet, indem er die pädagogische Freiheit auf diese Weise eingrenzt.

 

Hierzu lesen Sie eine Einschätzung aus der Redaktion, die sich (Disclaimer!) nicht als juristische Expertise versteht.

 

Was ist ein Erlass?

Das Bildungsministerium betonte, nachdem die Konfusion an Schulen bezüglich des Schreibens Herrn Teubers schnell gewachsen war, dass es sich dabei um einen rechtsgültigen Erlass handele. Aber was ist das eigentlich? Ein rechtsgültiger Erlass ist eine schriftliche Anordnung einer staatlichen Behörde oder eines hohen Beamten. Er dient dazu, interne Abläufe zu regeln oder Anweisungen an untergeordnete Stellen zu geben. Er hat keine Außenwirkung – er betrifft also nicht direkt die Bürger. Ein Erlass muss i.d.R. bestimmte Merkmale aufweisen, um rechtsgültig zu sein. Diese sind:

  • Zuständigkeit: Der Erlass muss von einer dazu befugten Stelle erlassen werden. Die erlassende Behörde oder Person muss die Kompetenz besitzen, Anweisungen in dem betreffenden Bereich zu geben. Beispielsweise kann das Ministerium für Finanzen einen Erlass zu steuerrechtlichen Angelegenheiten herausgeben.
  • Schriftform: Ein Erlass muss schriftlich verfasst sein. Mündliche Anweisungen sind in der Regel keine Erlasse im rechtlichen Sinne.
  • Bestimmtheit: Der Inhalt des Erlasses muss klar und eindeutig formuliert sein. Es muss ersichtlich sein, welche Anweisungen er enthält und an wen sie sich richten. Unklare oder widersprüchliche Formulierungen können die Gültigkeit beeinträchtigen.
  • Publikation: Obwohl ein Erlass keine Außenwirkung hat, muss er intern bekannt gemacht werden. Er muss den Stellen, für die er bestimmt ist, zugänglich gemacht werden, damit sie sich an die Anweisungen halten können. Dies kann durch interne Mitteilungen oder Veröffentlichungen in Amtsblättern erfolgen.

 

Ist das Schreiben Herrn Teubers ein rechtsgültiger Erlass?

Für sich gesehen: ein emphatisches Nein. Herrn Teubers Schreiben ist schon deshalb kein Erlass, weil es ihm an Klarheit und Bestimmtheit mangelt. Herr Teuber veröffentlicht seine persönliche Ansicht, äußert Bitten und Hoffnungen. Hieran ist kein Weisungscharakter erkennbar. Die Form der Publikation (Rundschreiben) erscheint ebenfalls unangemessen, einen Erlass zu transportieren.

 

Wird Herrn Teubers Schreiben durch die nachschärfenden FAQs zum rechtsgültigen Erlass?

Auch hier kann man geteilter Meinung sein. Die Juristen des Bildungsministeriums bestehen darauf, dass aufgrund der Nachschärfung ein rechtsgültiger Erlass vorliegt, da die FAQs Klarheit schaffen. Jedoch ungeachtet dieser Klarheit ist auch hier die Publikationsform fragwürdig. Isoliert betrachtet sind FAQs an und für sich nicht hinreichend, um das Wesen eines Erlasses zu spiegeln.

 

Entsprechen das Ursprungsschreiben und die FAQs gemeinsam betrachtet dem Wesen eines Erlasses?

Nun ja, ein Erlass besteht normalerweise aus einem einzigen kohärenten Dokument. Hier wurde erst ein Dokument, das per se dem Wesen eines Erlasses nicht genügt, auf einem eher unüblichen Publikationsweg in Umlauf gesetzt. Da dieses wohl auch dem Ministerium bei einem zweiten, genauerem Hinsehen nicht mehr ausreichend formell erschien, entschloss man sich, nachzuschärfen und ein zweites Dokument, das per se aber auch kein eindeutig als solcher erkennbarer Erlass ist, online zu stellen. Trotz der Tatsache, dass man bereits in dem Schreiben vom 18.08.2025 relativ ungeschickt kommuniziert hatte, wollte man anscheinend nicht zu sehr an Transparenz gewinnen. Der Terminus “Erlass” kommt in keinem der beiden Dokumente vor. Die FAQs beziehen sich auch nicht auf einen Erlass, sondern auf “die neuen Vorgaben”, wobei das Dokument aber im Kopf eindeutig auf das zugrunde liegende Schreiben verweist. Dem Schreiben Herrn Teubers wird darin das Wesen einer “verbindliche[n] Weisung” zugemessen (Fundstelle: https://bm.rlp.de/fileadmin/09/01_Schule/Dokumente/2025_09_05_FAQ_HUE.pdf).

 

Müssen Lehrkräfte dem Wunsch des Ministers Folge leisten?

Auch hier kommt es darauf an, wen man fragt. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass, entgegen den Aussagen der Juristen des Ministeriums, kein Erlass und somit auch keine klare Weisung vorliegen. Dann gäbe es freilich keinen Grund, dem Wunsch des Ministers zu folgen. Es handelt sich im Kern um eine nicht durch Rechtsfindung gelöste Rechtsfrage, in der unterschiedliche Parteien jeweils eigene Rechtsauffassungen vertreten. Letztlich sollte man als Bediensteter jedoch davon ausgehen, dass das Ministerium, um die eigene Position nicht zu kompromittieren und die Eltern nicht zu verprellen, die eigene Rechtsauffassung verteidigen wird, indem es Verstöße gegen die neue und leider eher ungeschickt kommunizierte Regel ahnden wird. Dabei wird sicherlich auf den klar erkennbaren Willen des Dienstherrn abgestellt werden.

 

Mit welchen Disziplinarmaßnahmen müssen Lehrkräfte, die sich dem Ankündigungsgebot widersetzen, rechnen?

Bei Erstverstößen dürfte sich der Dienstherr eher kulant zeigen und die Lehrkraft mit einem Hinweis auf die Schriftform der Regel und einer Ermahnung davonkommen lassen. Bei “Mehrfachtätern” könnte es auch zu Dienstgesprächen bei der ADD, Akteneinträgen oder ähnlich niedrigschwelligen Maßnahmen kommen. Jedoch riskiert der Dienstherr in jedem Einzelfall juristische Gegenmaßnahmen durch die Bediensteten, die gegen Akteneinträge klagen könnten. Bis dahin ist es zwar ein beschwerlicher Weg, aber wenn ein Verband oder ein Versicherer bereit ist, den Klageweg mitzutragen, gilt die alte Weisheit, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand ist. Ob es das Klagerisiko wert ist, muss jeder für sich entscheiden. Wer Ungemach und einer im Ergebnis wahrscheinlich sinnfreien Vergeudung von Lebenszeit ausweichen will, der ist gut beraten, dem kommunizierten Willen des Ministers zu folgen.

 

Wird dadurch die pädagogische Freiheit verletzt?

Klar ist, dass die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte, die durch §25 (1) SchulG RLP geregelt ist, durch das Ankündigungsgebot eingegrenzt wird. Ob dies aber mehr als eine nur oberflächliche Begrenzung ist, muss geprüft werden.

 

Wer zunächst die Bestimmungen zu Leistungsüberprüfungen in der Übergreifenden Schulordnung nachschlägt, wird auf § 50 stoßen, dessen erster Absatz (Satz 1) erklärt, dass Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung […] gemäß § 25 Abs. 1 SchulG durch die pädagogische Verantwortung und die Freiheit der Lehrkraft bestimmt [werden]”. Ergo gehört die Leistungsfestellung zur pädagogischen Freiheit und wird somit auch durch die oben besprochenen Dokumente eingegrenzt.

 

Jedoch ist “eingegrenzt” nicht mit “beschnitten” gleichzusetzen. Beispielsweise schreibt der Dienstherr weder Inhalt noch Gestaltung der Überprüfungen vor. Darin bleibt die Lehrkraft frei. Liest man §25 (1) Schulgesetz RLP noch einmal genauer, fällt zudem auf, dass dieser einen Rahmen setzt, der (auch durch den Minister) gestaltbar bleibt: Die Lehrkräfte gestalten Erziehung und Unterricht der Schülerinnen und Schüler frei und in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der für die Schule geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, der Anordnungen der Schulaufsicht und der Beschlüsse der Konferenzen.

 

Es lässt sich daraus eine Ermächtigungsgrundlage für das Bildungsministerium deuten, dergestalt, dass die Rahmenbedingungen, innerhalb welcher die pädagogische Freiheit im Land ausgeübt werden darf, veränderlich sind. Die explizit genannte Schulaufsicht kann Anordnungen treffen, die den Rahmen regeln. Umso mehr kann dies auch das Ministerium, dem die Schulaufsicht untersteht.

 

Fazit:

Unter dem Strich war die Ankündigung des Ministers, wenn es denn jemals einen gerichtlichen Entscheid zu dem juristischen Wert der in Rede stehenden Dokumente geben sollte, aus Sicht des Ministeriums bestenfalls ein maximal unglücklich formulierter und kommunizierter Erlass, aus dem man lernen sollte, dass man, wenn man Weisungen in Erlassform zu veröffentlichen wünscht, eben auch einen der Form genügenden Erlass verfassen und ihn auf angemessene Weise an die Weisungsempfänger transportieren sollte. Dies ist hier gründlich misslungen und öffnet naturgemäß Spekulationen um eine politische Motivation Tür und Tor. Zudem irritiert der fehlende Regelungsbedarf. In Summe wünschen sich die Bediensteten an Schulen für die Zukunft mehr Transparenz und eine bessere Zugänglichkeit maßgeblicher Dokumente, denn vor allem die FAQs waren weniger beworben worden und wurden, wenn überhaupt, völlig unzureichend an die Schulen transportiert.

 

Nachredaktionelle Ergänzung

„Am Dienstag, 23.09.2025 erging ein EPOS-Schreiben an die Schulleitungen, das nun endgültig die rechtliche Form eines Erlasses hat, sodass (zumindest bar weiterer Rechtsprechung) alle Lehrkräfte des Landes eindeutig angewiesen sind, jedwede Leistungsüberprüfung anzukündigen. Dauerankündigungen sind nicht zulässig. Angekündigte Leistungsüberprüfungen müssen auch tatsächlich geschrieben werden. Jegliches Überraschungsmoment soll somit den schriftlichen Leistungsüberprüfungen entzogen werden.

 

Die Tatsache, dass man nachfassend zu dem ursprünglichen Schreiben Teubers und den dazu bereits erläuternd digital veröffentlichten (jedoch nicht näher beworbenen) FAQs nun (mehr als einen Monat post facto!) endlich ein Schreiben an die Schulleitungen versendet hat, das den Character eines Erlasses abbildet, zeigt, dass die Verantwortlichen erkannt haben müssen, dass ihr vorausgegangenes Handeln nicht ausreichend war, um den rechtlichen Rahmen eines Erlasses zu erfüllen. Nach dieser neuesten Sachlage ist jedoch geklärt, dass unangekündigte Leistungsüberprüfungen nun auch schulrechtlich der Vergangenheit angehören.”

 

Zusammenfassung des Erlasses:

Der vorgelegte Erlass regelt die Durchführung und Bewertung von Hausaufgabenüberprüfungen sowie schriftlichen Leistungsnachweisen an Schulen, um eine faire und transparente Leistungsbeurteilung zu gewährleisten. Sein Kernziel ist es zu prüfen, ob eine „Verinnerlichung und Verfestigung“ des Lernstoffs stattgefunden hat. Zu diesem Zweck legt er fest, dass Hausaufgabenüberprüfungen, die in die Leistungsbeurteilung einfließen, stets konkret angekündigt werden müssen. „Mündliche oder schriftliche Hausaufgabenüberprüfungen müssen konkret als solche angekündigt werden, und zwar im Zusammenhang mit der Erteilung der Hausaufgaben und unter Angabe des Zeitpunktes der Hausaufgabenüberprüfung.“ Subtile Hinweise wie „Schaut euch das besonders gut an“ sind nicht ausreichend. Die Ankündigung von Überprüfungen, die dann nicht stattfinden, ist unzulässig, abgesehen von begründeten Ausnahmefällen, wie der Abwesenheit eines Großteils der Schüler. Auch die fast ständige Ankündigung von Tests ist untersagt, da sie dem Prinzip beurteilungsfreier Unterrichtsphasen widerspricht.

 

Zudem verbietet der Erlass die Durchführung einer Überprüfung, bei der nur die Ergebnisse einzelner Schüler beurteilt werden, um eine „Negativauswahl“ zu verhindern. Die Überprüfungen müssen sich auf die erteilten Hausaufgaben beziehen und bei der Leistungsbeurteilung stets die Lernanforderungen, den individuellen Lernfortschritt sowie die Lerngruppe berücksichtigen.

 

Im Bereich der schriftlichen Leistungsnachweise wird klargestellt, dass die Anzahl und Art dieser (z. B. Klassenarbeiten) durch die Schulordnungen abschließend geregelt sind. Eine Ausnahme bildet hier lediglich das Berufliche Gymnasium. „Neben diesen schriftlichen Leistungsnachweisen sind in schriftlicher Form ausschließlich angekündigte Hausaufgabenüberprüfungen zulässig.“ Jede andere schriftliche Abfrage von Unterrichtsinhalten ist nicht erlaubt. Hierunter fallen ausdrücklich Formate wie schriftliche Abfragen am Unterrichtsende, „Kurztests“ oder „Zwei-Stunden-Tests“, es sei denn, die Wiederholung war Hausaufgabe und der Test wurde angekündigt.

 

Abschließend ermutigt der Erlass dazu, bei der Umsetzung der Regelungen „einen positiven, unterstützenden und wertschätzenden Weg in der weiteren Umsetzung einer motivierenden Lern- und Prüfungskultur“ zu beschreiten. Damit soll ein wesentlicher Beitrag geleistet werden, um die genannten Fragestellungen zügig und reibungslos in den Schulalltag zu integrieren.