Rheinland-Pfälzische Schule

Mentor und Motor im Wandel der Schulaufsicht VBE-Urgestein Prof. Dr. Heinz Vogelsang feiert 90. Geburtstag

Ab den 1970er Jahren vollzog sich im Verständnis der Schulaufsicht ein grundlegender Paradigmenwechsel: Von der Belehrung zur Beratung, von der top-down-Anordnung zur herrschaftsfreien Kommunikation, von der Diensthierarchie zum Kollegialverhältnis, von  der Weisung zur schulischen Selbstverwaltung. In diesem Prozess war Prof. Dr. Heinz Vogelsang ein Ideengeber, ein  Mentor  und Motor. Niemand in Deutschland hat diesen wissenschaftlich so konsequent begleitet und verbandspolitisch implementiert wie Prof. Dr. Heinz Vogelsang. Über drei Jahrzehnte leitete er im Bundes-Verband Bildung und Erziehung das Referat Schulverwaltung / Schulaufsicht. Für den VBE war es ein Glücksfall, dass er seine Forschungsarbeit mit seinem Mandat verbinden konnte. Durch sein fachliches Renommee integrierte er die Verwaltungsspitzen in den VBE, in dem sie eine kollegiale Solidarität erfuhren wie in keiner anderen Lehrerorganisation.

 

Das Kernanliegen von Heinz Vogelsang war es, das Anforderungsprofil der Schulaufsicht auf dem Hintergrund der Schulrechtsentwicklung als Fach-, Dienst- und Rechtsaufsicht auszuformen. Nach seinem Verständnis sei sie zwar letztverantwortlich für Schulqualität, müsse aber vor allem den Unterricht fördern, die pädagogische Freiheit schützen und die schulische Selbstverwaltung begleiten. Schulrätinnen und -räte seien gefordert, die Schulen unter immer schwierige-ren Verhältnissen zu beraten, zu ermutigen und ihnen unbürokratisch zu helfen, wo Hilfe Not tut.

 

Geradezu provokativ forderte Heinz Vogelsang in den 90er Jahren für die Schulaufsicht eine schulformübergreifende  Sonderbehörde. Diese sollte zum einen die Kooperation und Durchlässigkeit aller Schulformen fördern, zum anderen die pädagogischen Gestaltungsbedürfnisse der Schulen besser berücksichtigen. Inzwischen ist dieser Ansatz in einigen Bundesländern realisiert.

 

Heinz Vogelsang hatte erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Bildungsverwaltung und des Schulrechts. Dieser widmete er sich bereits in einer Vorläuferorganisation des VBE, dem Verband Katholischer Lehrer Deutschlands (VkLD). Herausragende Verdienste um ein neues Rollen- und Aufgabenverständnis von Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamten erwarb er sich vor allem durch regelmäßige „Fachtagungen Schule – Schulaufsicht“ in Würzburg. Damit bot er mehr als 20 Jahre ein exklusives Forum für Multiplikatoren aus der Schulaufsicht und aus den Schulleitungen, aus Wissenschaft, Politik und der Kultusverwaltung zum Erfahrungsaustausch und zur Diskussion zukunftsorientierter Konzepte. Dabei konnte er selbst einen Fundus an interdisziplinärer Erfahrung einbringen: Durch seine Mitarbeit in der Konferenz der Schulräte Deutschlands, in der Deutschen Gesellschaft für Bildungsverwaltung, in der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft und durch seine Verbindungen zu Schulaufsichtsbeamten in Oberösterreich und in Frankreich, durch Gastprofessuren an der Universität Bamberg und in Johannesburg / Südafrika. Sehr engagiert unterstützte er nach der Wende in den neuen Bundesländern die Entwicklung und Implementierung neuer Strukturen in der Schulverwaltung.

 

Auch  in der Lehrerbildung  hat sich Heinz Vogelsang verdient gemacht. Als promovierter Rechtswissenschaftler und ausgebildeter Lehrer war er Ende der 1960er Jahre im Kultusministerium zu Mainz zuständig für die Errichtung der „Erziehungswissenschaftlichen Hochschule Rheinland-Pfalz“. An dieser Hochschule bzw. der Universität Koblenz leitete er als Professor von 1971 bis 2003 das Institut für Politikwissenschaft. Acht Jahre gehörte er dem Senat der philosophischen Fakultät an. Ebenso lange übte er das Amt eines Prodekans aus und fünf Jahre das des Dekans. Er verfasste mehr als 100 Publikationen und gilt in seinem Fach als akademische Autorität. Er verstand sich vor allem als „Demokratie-Lehrer“ für zukünftige „politische Bildner“. Er inspirierte Unzählige im Studium, in der Schule, in der Schulaufsicht und im VBE. Beispielgebend war er in seiner wissenschaftlichen Unbestechlichkeit, in seiner Aufgeschlossenheit für Innovationen, in seiner menschlichen Empathie und nicht zuletzt in seinem befreienden rheinischen Humor.

 

Aufgrund seiner herausragenden Verdienste verliehen ihm der VBE die Ehrenmitgliedschaft und die Universität Bamberg die Ehrenbürgerschaft. An seinem 90. Geburtstag gebührt ihm unser besonderer Dank und Glückwunsch.

 

Albin Dannhäuser