Rheinland-Pfälzische Schule

Künstliche Intelligenz auf der Schulbank und dem Pult – Der Rheinland-pfälzische Lehrertag des VBE

Für viele von uns ist sie noch gänzlich neu und für nicht wenige auch ein bisschen unheimlich – die Künstliche Intelligenz, die uns besser noch in ihrer Abkürzung “KI” bekannt ist. Anhand von Servernetzwerken sammelt sie im Internet enorme Datenmengen, aus denen sie algorithmisch lernt, in denen sie Muster erkennt und aus denen sie Modelle erstellt. Im Ganzen wirkt eine gut funktionierende KI beinahe wie menschliches Denken, und das ist auch das eigentliche Ziel – die Imitation menschlichen Denkens, um Maschinen zu befähigen, komplexe Aufgaben, die menschliches Denken und menschliche Abstraktionsfähigkeit erfordern, für uns zu erledigen.

Ist das nicht ein Stück weit Spinnerei oder vielleicht sogar gefährlich? Aber natürlich ist es das! Genau das hat es mit der Dampflock, dem Automobil, Hochgeschwindigkeitszügen, dem menschlichen Traum vom Fliegen (wenn es sein muss bis zum Mond und demnächst vielleicht auch bis zum Mars), dem mobilen Telefonieren und den selbststeuernden Systemen in modernen Fahrzeugen gemein. All das war einmal nichts weiter als Fiktion – Spinnerei – und dabei sicherlich auch durchaus gefährlich. In der Geschichte sind Menschen immer wieder über ihre Schatten gesprungen, haben ihre Ängste überwunden und die Grenzen menschlichen Wissens, Könnens und Seins dabei immer weiter ausgedehnt. 

Aber wie kann eine so in den Kinderschuhen steckende, so neue und potentiell gefährliche Technologie ausgerechnet einer so vor- und umsichtigen und auf Sicherheit bedachten Spezies wie der deutschen Lehrerschaft dienen und zum Vorteil gereichen? 

Nun, zunächst einmal ist “neu” ein eher relatives Adjektiv, wenn es auf eine Technologie wie KI angewandt wird, denn deren (Eigen)Entwicklung ist sozusagen eine exponentielle. Da KI aus vielen Millionen Quellen sowie aus ihren eigens entwickelten Modellen lernt, schreitet der Lernprozess und mithin der Prozess der technologischen Entwicklung viel schneller voran, als dies bei den oben genannten älteren Technologiebeispielen der Fall war. Daher erhalten wir bei der Anwendung einer KI teilweise verblüffende Ergebnisse. Gibt man beispielsweise den Prompt “Erkläre mir in einem Satz, was ein schwarzes Loch ist” ein, erhält man folgende Auskunft: “Ein schwarzes Loch ist ein astrophysikalisches Objekt mit einer so starken Gravitation, dass nichts, nicht einmal Licht, entkommen kann, sobald es den Ereignishorizont überschreitet.” 

Spätestens hier wird klar, wie auch Lehrkräfte KI nutzen können, um ihren Unterricht interessanter oder effizienter zu gestalten. Mit KI und, nicht zu vergessen, möglichst genauen Prompts, lassen sich Vertretungsstunden in wenigen Minuten planen, auch wenn man einmal nicht fachaffin eingesetzt ist. Zudem kann man die KI informative Texte, Mathematikaufgaben oder auch Grammatikübungen erstellen lassen.

Grund genug für den VBE, dem Phänomen KI den diesjährigen Lehrertag in Trier zu widmen, der sich vornahm, die Chancen, die diese Technologie bietet, adressatengerecht aufzubereiten und zu vermitteln. Dieses Jahr bot wieder die Universität Trier die Kulisse für einen aufregenden und bereichernden Tag, der am Ende so viel mehr war als nur eine Fortbildung, denn wenn der VBE ein solches Event anbietet, ist “großer Bahnhof” angesagt. Sowohl die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig als auch der Landesvorsitzende des VBE, Lars Lamowski, und der Vorsitzende des Jungen VBE, Fabian Reichert, sprachen Grußworte. In der Keynote stellte der Hauptreferent Phillip Schied die Tücken und Vorzüge der KI dar.

Lars Lamowski ermutigte die Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeiten, die KI bietet, zu nutzen und versicherte, der VBE werde die Entwicklung von KI im Bildungsbereich kritisch begleiten. Er betonte, dass dabei Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler immer im Mittelpunkt stehen müssen und werden.

Mit Blick auf die herannahenden Personalratswahlen betonte Lamowski die Erfolge des VBE in den letzten Legislaturperioden, die zum Beispiel in der deutlichen Besoldungserhöhung von 5,5 % des letzten Jahres, den Kompetenzstufenzeugnissen in der Grundschule und der berufsbegleitenden Wechselprüfung II in der Realschule plus, mit der ehemalige Grund-und Hauptschullehrkräfte die Befähigung zum Lehramt an Realschulen plus und damit die höhere Besoldung auch ohne eine zusätzliche Hausarbeit und weitere Studienleistungen erreichen konnten und auch weiterhin können, erkennbar sind. Bis heute haben hiervon über 1400 Lehrkräfte profitiert, davon allein 1182 an Realschulen plus und 253 an Integrierten Gesamtschulen des Landes. Natürlich hatte sich der VBE immer wieder auch für eine sinnvolle Digitalisierung an den Schulen eingesetzt und diese auch durchsetzen können, sodass heute alle Lehrkräfte dienstlich gestellte Endgeräte haben und auch Schülerinnen und Schüler zunehmend Zugriff auf solche Geräte erhalten können.

Fabian Reichert betonte in seinem Grußwort die Wichtigkeit der Medienbildung und einer von Lehrkräften behutsam begleiteten Einführung der KI in den Unterrichtsalltag der Kinder, denn diese werde schließlich nicht mehr verschwinden und ihre Chancen für die Demokratiebildung, insbesondere ihr Einsatz im Factchecking, lägen auf der Hand. Jedoch sei die fachliche Expertise von Lehrkräften dabei unverzichtbar.

Keynote Speaker Phillip Schied zitierte Stephen Hawking, der einmal sagte, KI sei zugleich das Beste und das Schlimmste, was uns passieren könne. Die künstliche Intelligenz werde zunehmend genutzt und hätte das Potential, innerhalb der nächsten 5 Jahre ca. 50 % Arbeitszeitentlastung zu schaffen. Hierbei erwähnte er die “Exponentialität von Innovation” und zog damit eine Referenz zu Ray Kurzweil, einem amerikanischen Erfinder und Autor, der sich mit der Einswerdung von Mensch und KI beschäftigt. Ein Beispiel dieser Exponentialität habe sich in der Tatsache, dass Chat GPT innerhalb eines einzigen Tages von 100 Millionen Menschen genutzt wurde, gezeigt.

Schied wies ebenfalls auf die Gefahren von Deep Fakes und einer systematischen Diskriminierung von Frauen und Minderheiten durch diese im Wesentlichen von weißen Männern erschaffene und kontrollierte Technologie hin. Allerdings werde durch KI auch die Krebsforschung gefördert und könne in Zukunft blinden Menschen eine Hilfe werden, ihre Umwelt ganz neu zu erfahren. 

Im Bildungsbereich steckten die Chancen vor allem in der medialen Gestaltung und Aufbereitung des Unterrichts sowie in der Organisation von Lernhilfen und KI-Nachhilfe, die sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern Zugang zu mehr Bildungsunterstützung verschaffen und so Bildungsungerechtigkeiten abbauen könnten.

Nach der Auftaktveranstaltung im Hörsaal 3 konnten sich die Kolleginnen und Kollegen dann auf ihre gewählten Workshops aufteilen. Es wurden 14 verschiedene und genau auf die Bedürfnisse der Lehrkräfte der unterschiedlichen Schularten zugeschnittene Kurse angeboten. Dabei war die Besonderheit, dass die Referentinnen und Referenten nicht etwa reine IT-ler, sondern vielmehr selbst examinierte und an unterschiedlichen Schularten aktive Lehrkräfte waren. Allein das Beratungs- und Bildungsunternehmen Medienkompetenzlehrer GmbH brachte sieben Referenten mit. 

Inhaltlich zielten die Workshops darauf ab, die Kolleginnen und Kollegen mit vorhandenen KI-Tools und deren Einsetzbarkeit im Unterricht vertraut zu machen. So gewährte Patricia Parker Einblicke in kreative KI-Tools in der Bildung. Phillip Schied wies Kolleginnen und Kollegen in der effektiven Nutzung von für Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz kostenfreien KI-Tools an. Tine Tremmel stellte KI für die Nutzung in der Grundschule vor, und Tobias Albers-Heinemann führte die Besucherinnen und Besucher in die Möglichkeiten von Video-Avataren und Sprachassistenten ein. 

Weitere Workshops beschäftigten sich ganz konkret mit der Unterrichtsplanung und Korrekturunterstützung – so der Kurs von Martin Brügmann. Jonas Kolbenschlag stellte die Möglichkeiten der Nutzung von KI bei der Arbeit mit Kahoot und anderen Quiztools vor und Peter Patten zeigte die Vielfalt des Einsatzes von KI an weiterführenden Schulen auf. Das “Testen, Prüfen und Fördern mit KI” wurde von Maximilian Jenal thematisiert, und auch der Einsatz von Software wie Lumio von SMART oder Hardware wie dem ActivePanel10 von Promethean im Unterricht fanden ihren Platz in  den Workshops.

Die Bandbreite der angebotenen Kurse war enorm groß, und so hatten die Besucherinnen und Besucher aller Schularten buchstäblich die Qual der Wahl. So divers die Workshops waren, so unterschiedlich waren auch die Vorkenntnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und um so erkenntnisreicher und gewinnbringender die Gespräche am Mittagstisch – für das leibliche Wohl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte der VBE natürlich lückenlos gesorgt, und so wurden Wissensdurst und Kohldampf gleichermaßen gestillt.

Abgerundet wurde der Lehrertag durch ein abwechslungsreiches Angebot von Verlagen und Versicherungen auf ca. 200 m² Ausstellungsfläche, das die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen den Workshops wahrnehmen konnten. 

Der VBE freute sich über das rege Interesse der Anwesenden, die sich zum wiederholten Mal nicht nur aus unserer “Stammklientel” rekrutierten, sondern zunehmend auch aus Lehrkräften aus dem Bereich der Sekundarstufe II. Dies macht deutlich, dass unser Verband nicht nur eng am Puls der Bildung ist, sondern sie in allen Schularten mitgestaltet und nach vorne bringt. Nicht zuletzt die Themensetzung dieses Lehrertags stellte dies unter Beweis.

Am Ende des Tages lässt sich die Frage, ob künstliche Intelligenz nun Fluch oder Segen sei, also doch positiv beantworten – mit dem wichtigen Zusatz (frei nach Hattie), dass es nach wie vor auf den Lehrer ankommt. Lehrkräfte sind und bleiben als Wissensvermittler, Moderatoren und Lernbegleiter sowohl in ihrer Fachlichkeit als auch in ihren pädagogischen Kompetenzen  weiterhin unersetzbar, auch und vor allem in Zeiten, in denen die künstliche Intelligenz die Schulbänke und Pulte erobert.

 fh