Rheinland-Pfälzische Schule

Kränkungen abwehren

Kränkungen sind im Berufsalltag leider nichts Außergewöhnliches. Aber nur weniges ist belastender. Doch ein entspannter Umgang mit Kränkungen ist oft nur eine Frage des Blickwinkels und Übungssache.

In Kränkungssituationen sind wir schnell einmal überfordert. Vor allem im Klassenzimmer, wo wir kaum zur Ruhe kommen und über eine schwierige Situation nicht in Ruhe nachdenken können. Wir können unsere Emotionen nur begrenzt wahrnehmen, uns nur begrenzt in andere einfühlen und kaum wirklich konstruktiv reagieren.

Die Interventionsleitlinie

Deshalb bietet es sich an, sich eine Interventionsleitlinie zuzulegen, die es einem erlaubt, schnell und cool zu reagieren. Das entspricht dem bedeutsamen Classroom-Management-Prinzip, sich Handlungsoptionen für schwierige Unterrichtssituationen im Voraus zurechtzulegen (Jones, 2000). Dann gelingt es, entspannter zu intervenieren, wenn eine solche Situation eintritt.

Legen Sie sich einen Satz zurecht, auf den Sie bei respektlosen Bemerkungen zurückgreifen. Fallbeispiel: Beim Betreten des Klassenzimmers begrüßt eine Schülerin ihre Lehrerin mit „Guten Morgen, dumme Kuh“. Die Lehrerin antwortet ruhig und sachlich: „Wir haben abgemacht, dass wir uns respektvoll verhalten. Bitte halte dich daran. Ich möchte dich später sprechen. Dann können wir gerne auch besprechen, was dich geärgert hat.“

Dann unterrichtet sie sofort weiter, am besten mit einer Unterrichtseinheit, die ihr Freude bereitet. Den respektvollen Umgang hat die Lehrerin vorab mit ihrer Klasse in Klassenregeln besprochen. Damit interveniert sie nach der sogenannten Zwei-Phasen-Intervention (Eichhorn, 2018).

Auch im folgenden Fallbeispiel sollte danach vorgegangen werden. Ein Schüler sagt: „Sie spinnen ja, ich soll eine Fünf haben. Das kann doch nicht sein!“ Auch hier bietet sich das zweischrittige Vorgehen aus Erinnerung an die Vereinbarung zum respektvollen Umgang und Einladung zum späteren Gespräch an.

Training

Das hier skizzierte Vorgehen zeigt ein weiteres Mal, wie extrem anspruchsvoll der Lehrberuf ist. Um die hier beschriebenen Anregungen umzusetzen, braucht es Übung. Dabei bietet es sich an, dass wir auf unsere Fortschritte achten, auch wenn diese zunächst eh nicht so groß sind, statt auf das, was noch nicht gut gelingt. Das kostet in der Regel Energie und schwächt unsere Motivation.

Gewalthandlungen präventiv eindämmen

Die Support-Question

Fallbeispiel: In einer Klasse sind einige Schüler mit sehr herausforderndem Verhalten. Hier ist besonders bedeutsam, deren vermutlich vorhandene negative Emotionen anzusprechen und zu bearbeiten. Damit fördern wir auch den Beziehungsaufbau zu diesen Schülern. Sie sollen sich als Mensch behandelt fühlen und nicht nur als Schüler.

Vorgehen: Eine Lehrerin traf sich in der dritten Woche des neuen Schuljahres mit einem ihrer Schüler mit sehr herausforderndem Verhalten zum Einzelgespräch. Nachdem sie ihn freundlich begrüßt hatte, fragte sie ihn: „Daniel, du weißt, dass es mir wichtig ist, dass ihr euch in der Klasse wohlfühlt (das hatte sie gleich zu Beginn des Schuljahres ihrer Klasse mitgeteilt). Wie geht es dir, fühlst du dich wohl?“ Aber Daniel antwortete mürrisch: „Schlecht, Sie sind unfair – immer bin ich an allem schuld.“
Zwar ist Daniels Antwort nicht positiv für seine Lehrerin. Aber ihr ist mit ihrer Frage ein extrem bedeutsamer Schritt gelungen. Nämlich Daniels Ärger anzusprechen. Im Folgenden wird sie versuchen, mit ihm zu besprechen, was ihm dabei hilft, sich besser fühlen.

Stellen Sie sich vor, die Lehrerin hätte dieses Gespräch nicht geführt. Daniel wirkte sehr genervt. Er wäre wohl kaum in der Lage, seine negativen Emotionen ohne Hilfe von außen abzuschwächen. Im Gegenteil: Es bestünde das Risiko, dass sich diese noch verstärken.

Christoph Eichhorn

Christoph Eichhorn ist Lehrbeauftragter für Classroom Management an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, Schweiz und Österreich. Er bietet auch Fortbildungen für Schulen zum Thema an. Sein Aktuelles Buch: Mit Psychologie ins Klassenzimmer: Leichter und lockerer unterrichten (2022).

Literatur

  • Barclay, L. J., & Skarlicki, D. P. (2009). Healing the wounds of organizational injustice: Examining the benefits of expressive writing. Journal of Applied Psychology, 94(2), 511–523.
  • Eichhorn, C. (2018): Classroom-Management Basiswissen Kompakt: Stören
    – Die wirksamste Störungsprävention
    – Interventionsleitlinien bei kleinen Störungen
    – Interventionsleitlinien bei großen Störungen
    CreateSpace Independent Publishing Platform. 2. Auflage.
  • Eichhorn, C. (2022): Mit Psychologie ins Klassenzimmer.
  • Guhl, C. (2016): Persönliche Mitteilung. Schulpsychologischer Dienst Graubünden, Schweiz.
  • Helmke, A. (2014): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts, 5. Aufl. Seelze: Klett Kallmeyer.
  • Jones, F. (2000): Tools for Teaching. Santa Cruz, CA: Jones & Associates.
  • Klusmann, U. (2019): Was Lehrkräfte gesund hält. In: Deutsches Schulportal, 14.2.2019.
  • Lazarus, R. S., & Alfert, E. (1964): The short-circuiting of threat by experimentally altering cognitive appraisal. In: Journal of Abnormal and Social Psychology, 69, S. 195–205.
  • Lazarus, R. S., (1999): Stress and Emotion. A new Synthesis. Free Association Books, London 1999.
  • Lieberman, M., Eisenberger, N., Crockett, M., Tom, S., Pfeifer, J., Way, B. (2007): Putting Feelings Into Words – Affect Labeling Disrupts Amygdala Activity in Response to Affective Stimuli. In: Association for Psychological Science, S. 421–428.
  • Pennebaker, J., (2019): Heilung durch Schreiben. Hogrefe, 2. Aufl.
  • Reddemann, L. (2019): Imagination als heilsame Kraft. Ressourcen und Mitgefühl in der Behandlung von Traumafolgen, Klett-Cotta. 23. Aufl.
  • Reisenzein, R. (2000): Einschätzungstheoretische Ansätze in der Emotionspsychologie. In: J. H. Otto, A. Euler & H. Mandl (Hrsg.), Handbuch Emotionspsychologie. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
  • Rosenberg, M. (2016): Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens. 12. Auf. Junfermann.