Rheinland-Pfälzische Schule

Informatik als Pflichtfach

an weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz: Herausforderungen und Chancen einer digitalen Bildung

 

Ab dem Schuljahr 2028/2029 wird Informatik an allen weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz als Pflichtfach mit dem Ziel, Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen einer zunehmend digitalen Gesellschaft und Arbeitswelt vorzubereiten, eingeführt. Die aktuelle Publikation der Wübben Stiftung „Bessere Bildung 2035“, in der die Bildungsministerinnen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein über Länder- und Parteigrenzen hinweg sich mit verschiedenen Fragen beschäftigt haben, hebt die Bedeutung der Digitalisierung und informatorischen Bildung als einen zentralen Hebel hervor, um das Bildungssystem zukunftsfähig zu machen. Die darin vorgeschlagenen Maßnahmen, wie der Einsatz digitaler Tools und die Förderung einer datengestützten Kultur, zeigen klar die Rolle der digitalen Transformation und ihrer Verbindung zur informatorischen Bildung.

 

Das Fach Informatik bietet unseren Schülerinnen und Schülern eine große Chance, bei der es auf eine professionelle Unterstützung der Schulen in diesem kurzen Vorbereitungszeitraum ankommt und mit Weitsicht auf die Herausforderungen und geplanten Maßnahmen eingegangen wird.

 

Der Status quo: Informatorische Bildung als Grundlage

In Rheinland-Pfalz ist die informatorische Bildung besonders in den Wahlpflichtfächern der Realschulen plus verankert und gilt darüber hinaus als Unterrichtsprinzip für alle Unterrichtsfächer. Dies wurde in den letzten Jahren durch die an den Schulen entwickelten Medienkonzepte und die Ausstattung der Lehrkräfte, Schülerschaft und Schulen durch den Digitalpakt ergänzt.

 

Die Praxis zeigt jedoch, dass die Umsetzung stark variiert und die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler sich erheblich unterscheiden. Die Sonderauswertung der Pisa-Studie im Januar 2025 beschreibt z. B., dass sich nur knapp die Hälfte der Schülerschaft in der Lage sieht, die Qualität der Informationen im Netz zu beurteilen.

 

Ein entscheidender Aspekt stellt das bisherige Engagement einzelner Lehrkräfte dar, die informatorische Bildung in den Unterricht zu integrieren. Einige Schulen haben dabei Vorbildliches geleistet, indem sie innovative Projekte und Ansätze verfolgt haben. Andere hingegen stehen immer noch am Anfang und kämpfen mit infrastrukturellen sowie personellen Engpässen. Die Einführung eines verbindlichen Fachs könnte hier eine Vereinheitlichung und Steigerung der Qualität bewirken.

 

Rahmenbedingungen für das Pflichtfach Informatik

Laut Bildungsministerium wird Informatik in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 mit vier Stunden in die Kontingentstundentafel eingeführt. Wesentliche Voraussetzungen und Aspekte der Integration in die Stundentafeln sind, dass die Stunden aus den Naturwissenschaften und weiteren Fächern umverteilt werden, wobei Deutsch, Mathematik, Religion/Ethik sowie die naturwissenschaftlichen, außer Physik, und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer am Gymnasium und an der IGS unangetastet bleiben. Weiter muss eine Stunde am Nachmittag zusätzlich an allen Schulformen unterrichtet werden. Diese Umstrukturierung erfordert eine sorgfältige Planung, um sicherzustellen, dass die Lehrpläne anderer Fächer nicht negativ beeinflusst werden.

 

Für die Bewerbung einer vorzeitigen Einführung gilt:

  • Schulen benötigen mindestens einen funktionsfähigen Computerraum oder einen Klassensatz Laptops und stabile Netzwerke.
  • Jede Schule muss mindestens zwei qualifizierte Informatiklehrkräfte bereitstellen.
  • Schülerinnen und Schüler sollen am Ende der Orientierungsstufe die Medienkompetenzen des Medienkomp@ss beherrschen. Diese umfassen grundlegende Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Werkzeugen sowie ein erstes Verständnis von Rechtsgrundlagen im digitalen Raum.

 

Das Informationsmanagement des Bidungsministeriums ist stark fragwürdig, da die Schulen erst Mitte Januar über EPOS von der Einführung des Faches Informatik und dem Bewerbungszeitraum für das Schuljahr 2025/26 erfahren haben. Dieser endet Ende März und fällt somit in den Zeitraum der Zeugniskonferenzen, des schriftlichen und mündlichen Abiturs, der Aufnahmegespräche und dann müssen alle Formalien fristgerecht eingehalten werden.

 

Chancen, Hürden und Empfehlungen

Die Einführung von Informatik als Pflichtfach birgt eine große Chance, die Hürden müssen trotz der positiven Aspekte eine starke Beachtung finden.

  • Lehrkräftemangel: Die Verfügbarkeit qualifizierter Informatiklehrkräfte ist ein kritischer Faktor. Aktuelle Fortbildungsangebote müssen als praxisorientierte und kontinuierliche Schulungen für alle interessierten Lehrkräfte verfügbar sein. Hierbei sollten auch hybride Lernmodelle genutzt werden, um die Teilnahme zu erleichtern und die zusätzliche Belastung so gering wie möglich zu halten. Die bisherigen Beispiele der Weiterbildungen sind zeitintensiv und nicht attraktiv.
  • Förderung digitaler Kompetenzen: Schülerinnen und Schüler erlernen grundlegende Konzepte und diese stärken nicht nur ihre technischen Fähigkeiten, sondern fördern auch analytisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten.
  • Chancengleichheit: Alle Jugendlichen erhalten Zugang zu informatorischer Bildung, unabhängig von ihrer Schulform. Dies ist ein entscheidender Schritt, um Bildungsgerechtigkeit in einer digitalen Welt zu gewährleisten.
  • Digitale Ressourcen: Materialien wie das Online-Schulbuch inf-schule.de sollten weiterentwickelt und besser beworben werden. Ergänzend könnten offene Bildungsressourcen (OER) zur Verfügung gestellt werden. Das Problem des Verbots der Nutzung der Microsoft-Office-Programme muss behoben werden. Schülerinnen und Schüler müssen mit den gängigen Programmen der Arbeitswelt üben dürfen.
  • Gesellschaftliche Verantwortung: Schülerinnen und Schüler müssen nicht nur Technologien bedienen, sondern auch deren Funktionsweise und Risiken verstehen. Auch Eltern spielen eine wichtige Rolle in der Begleitung und sollten in den Prozess einbezogen werden. Informationskampagnen oder Elternschulungen könnten hier Abhilfe schaffen.
  • Berufliche Orientierung: Informatikkenntnisse eröffnen vielfältige Perspektiven in der technologiegetriebenen Arbeitswelt. Gerade in Deutschland, wo der Fachkräftemangel in technischen Berufen spürbar ist, können diese Kenntnisse die Berufschancen deutlich verbessern.
  • Erweiterung des Oberstufenangebots: Gymnasien können künftig Leistungskurse in Informatik einfacher ohne zusätzliches Wahlfach etablieren. Dies ermöglicht interessierten Schülerinnen und Schülern eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Fach und bereitet sie auf technische Studiengänge oder Berufe vor.
  • Unterschiedliche Schulformen: Schularten wie die der Realschule plus oder der IGS erfordern angepasste Konzepte, hier könnte die Vielfalt der Anforderungen zu organisatorischen Problemen führen. Schulen mit bestehendem Schwerpunkt Informatik z. B. an der FOS können schneller starten, während andere umfangreichere Unterstützung benötigen.
  • Nachhaltigkeit der Digitalisierung: Es bedarf klarer Strategien zur langfristigen Verankerung.
  • Moderne Infrastruktur: Schulen benötigen eine zeitgemäße technische Ausstattung und zuverlässige IT-Systeme. Hier sind innovative Lösungen gefragt, wie beispielsweise regionale Netzwerke oder cloudbasierte Systeme. Hier ist auch die Unterstützung durch den Schulträger gefragt, da auch die Computerräume in den Schulen nicht immer in Klassenstärke ausgestattet sind.
  • Finanzielle Ressourcen: Die Bereitstellung von Geräten und Netzwerken ist kostenintensiv. Eine transparente und gerechte Verteilung der Mittel ist essenziell, um allen Schulen gleiche Chancen zu ermöglichen.

 

Fazit

Die Einführung von Informatik als Pflichtfach ist ein richtungsweisender Schritt, um Schülerinnen und Schülern essenzielle Kompetenzen für eine digitale Zukunft zu vermitteln. Ihr Erfolg hängt jedoch davon ab, ob Schulen und Lehrkräfte die nötige Unterstützung erhalten und bestehende Herausforderungen konsequent benannt und angegangen werden. Auch für angehende Lehrkräfte und Studierende der Bildungswissenschaften ist dies eine spannende Möglichkeit, aktiv am Wandel der Bildungslandschaft mitzuwirken. Langfristig wird sich zeigen, ob die geplanten Maßnahmen ausreichen, um die vielfältigen Anforderungen zu erfüllen. Wichtig ist, dass alle Beteiligten – von den Schulen über die Politik bis hin zu den Eltern – zusammenarbeiten, um dieses ambitionierte Projekt zum Erfolg zu führen.

Der VBE Rheinland-Pfalz begleitet diesen Prozess wachsam und macht sich für eine nachhaltige Umsetzung stark. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Jugendliche von einer modernen und zukunftsorientierten Bildung profitieren.

 

Martin Schmidt