Wiedereinmal steht der Schulstart unter keinem guten Zeichen. Seit Jahren legen wir den Finger in die Wunde. Seit Jahren machen wir darauf aufmerksam, dass unsere Schulen unterversorgt sind.
Eigentlich sollten wir uns freuen, dass die Politik ENDLICH bekennt, dass der Fachkräftemangel auch in den Schulen angekommen ist. In den Förder- und Grundschulen ist schon länger bekannt, dass nicht genügend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Inzwischen können auch in der Sekundarstufe 1 nicht alle Planstellen mit ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden. Endlich macht sich auch die Politik auf den Weg, Werbung für den Lehrerberuf zu machen, überdenkt die Ausbildung.
Erschreckend ist aber, dass beim Kampf gegen den Lehrkräftemangel die Ideen keine Tabus zu kennen scheinen: Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz, die uns Anfang des Jahres überrannt haben, sprechen von verpflichtender Mehrarbeit, größeren Lerngruppen, Einschränkung der Teilzeitbeschäftigungen usw.
„Die vorhandenen Ressourcen“ besser zu nutzen, ist ein Schlag ins Gesicht, heißt doch nichts anderes, als den Lehrkräften noch ein Päckchen draufzupacken. Der Vorschlag der „Erschließung von Beschäftigungsreserven bei qualifizierten Lehrkräften“ suggeriert, dass wir Lehrerinnen und Lehrer nicht ausgelastet seien. Eine „Anpassung des Ruhestandseintritts, der Reduktion der Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen und der Teilzeitbeschäftigung …“ ist ganz sicher kein Aushängeschild, das die Attraktivität des Lehrerberufes steigert.
„Vorbeugende Maßnahmen zur Gesundheitsförderung“ zu fordern und gleichzeitig die Möglichkeit auf Teilzeitbeschäftigung einschränken zu wollen ist ein Widerspruch in sich. Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund der stetig zunehmenden Belastungen ihren Arbeitsumfang reduzieren und nicht nur Einschnitte beim Gehalt, sondern auch bei den späteren Pensionsansprüchen in Kauf nehmen, nutzten die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung als Chance, ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Zudem arbeitet ein Großteil der Lehrkräfte aus familiären Gründen (Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen) in Teilzeit. Wollen wir diesen Kolleginnen und Kollegen wirklich die Möglichkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nehmen?
Eine „Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung in Anlehnung an das Konzept der Vorgriffsstunden“ kann nur dann hilfreich sein, wenn aus dem Modell der verpflichtenden Ansparstunde in den 90er Jahren, ein freiwilliges Modell wird, das den Lehrkräften mehr Flexibilität eröffnet. Vielleicht ein Modell, das auf freiwilliger Basis in Form von Ansparkonten oder Arbeitszeitkonten für manche interessant sein kann.
„… die Weiterqualifizierung von Gymnasiallehrkräften für andere Schulformen und … die Nachqualifizierung in Mangelfächern“ wird schon seit einiger Zeit durch die Änderungen der Wechselprüfungen geregelt. Aber auch vor den Gymnasien wird der Lehrkräftemangel keinen Halt machen. In den bekannten Mangelfächern kann auch hier der Unterricht nicht mehr vollständig durch qualifizierte Fachlehrkräfte gesichert werden.
Zusätzliche Lehrkräfte über die „Weiterentwicklung von Modellen des Quer- und Seiteneinstiegs“ und durch die erleichterte „Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen“ zu gewinnen darf nicht zu einer minderwertigeren Qualifizierung führen.
Die Unterstützung der Lehrkräfte hätte schon längst durch den flächendeckenden Einsatz von multiprofessionellen Teams verwirklicht werden können. Schulverwaltungsfachkräfte an den Schulen einzusetzen ist sinnvoll und führt zu einer „Entlastung der Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben“. In gleichem Atemzug aber den Schulleitungen Anrechnungsstunden für Leitungsaufgaben wegzunehmen, hilft wenig den ständig zunehmenden Aufgaben, die Schulleitungen seit Jahren übernehmen müssen, gerecht zu werden.
Forderungen nach „Flexibilisierung des Einsatzes von Lehrkräften durch Hybridunterricht, Erhöhung der Selbstlernzeiten …“ wird den unterschiedlichen Entwicklungsstufen unserer Schülerinnen und Schüler nicht gerecht. Die Schulschließungen und der online-Unterricht in Coronazeiten haben uns doch gezeigt, wie wichtig der persönliche Kontakt, die persönliche Unterstützung insbesondere unserer jüngeren und schwächeren Schülerinnen und Schüler ist. Ebenso wird eine „Anpassung der Klassenfrequenzen“ unseren Kindern nicht gerecht, erhöht die Belastungen der Lehrkräfte und führt ganz sicher nicht zu einer höheren Attraktivität des Lehrberufes.
Fazit:
Aus diesen Empfehlungen wird die Hilflosigkeit der Politik erkennbar.
Empfehlungen zur Stärkung der Resilienz und Fortbildungen zur Lehrergesundheit beseitigen ganz sicher keinen Lehrermangel. In den vergangenen Jahren wurden den Lehrerinnen und Lehrern, genau wie den Schulleiterinnen und Schulleitern immer mehr Aufgaben aufgebürdet. Das muss aufhören.
… im Interesse unserer Kinder.
Sie sollten uns das wert sein!
Barbara Mich