Die Zeichen in Berlin standen im Mai auf Sturm. Hagel und Gewitter haben sich angekündigt – nicht nur meteorologisch, auch politisch. Unter dem Titel „Richtung Zukunft: Frauenrechte stärken und Demokratie bewahren im Kampf gegen Extremismus und Populismus“ versammelten sich im dbb forum Menschen, die sich seit Jahren für Parität, Teilhabe und Respekt einsetzen. Doch viele teilen in diesen Tagen das gleiche Gefühl: Was einmal sicher schien – Rechte, Räume, Respekt –, steht wieder zur Debatte. Und mit ihm das Fundament unserer Demokratie.
Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, stellte gleich zu Beginn klar: Es geht um mehr als um Frauenrechte. „Gleichstellung ist im rechten Spektrum kein Ziel, sondern ein Feindbild.“ Was früher als Tabubruch galt, ist heute salonfähig: Mit Antifeminismus, Sexismus und Rassismus werden – beschleunigt durch soziale Medien – unsere demokratischen Werte angegriffen.
Antifeminismus als demokratiegefährdende Ideologie
Johanna Niendorf vom Else-Frenkel-Brunswik-Institut zeigte in ihrem Vortrag, wie Antifeminismus als politische Strategie funktioniert: einschüchtern, abwerten, mundtot machen. Und zwar besonders Frauen, die sich in der Öffentlichkeit engagieren. Studien zeigen erschreckend deutlich: Antifeminismus ist längst kein Randphänomen mehr. Er durchzieht die Mitte unserer Gesellschaft. Was einst als extreme Haltung galt, findet heute Zustimmung im Alltag, in Familien, in Parlamenten. Das ist nicht nur alarmierend, sondern ein direkter Angriff auf Gleichstellung, Freiheit und Menschenwürde.
Dagegen helfen jedoch keine schnellen Lösungen. Prof. Wolfgang Merkel warnte in seinem Vortrag „Retten Parteiverbote unsere Demokratie?“ vor einem Ausschluss als Allheilmittel gegen Rechtsradikalismus. Ein Verbot, so erklärte er, entferne zwar Mandatsträger, nicht aber das Gedankengut. Die Folge: Neugründungen – ein anderer Name, mit demselben Inhalt. Schwer wöge auch ein demokratietheoretisches Problem: Man würde 20 Prozent der Bevölkerung ihre politische Souveränität entziehen – ein gefährlicher Widerspruch. Statt Ausgrenzung plädierte Merkel für Dialog mit den Wählenden: „Der große Moment der Demokratie ist, dass wir abwählen können.“ Dass es im Kampf gegen demokratiefeindliche Tendenzen nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Strategien braucht, machte Katharina Kaluza vom Deutschen Frauenrat deutlich. Ihr Vortrag „Die Auswirkungen von Antifeminismus: Demokratie-Empowerment als Gegenstrategie“ war ein eindringlicher Appell an das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Antifeminismus. Ihre Botschaft: Netzwerke stärken, Betroffene sichtbar machen und zusammenstehen. Die sogenannte One-Voice-Policy sei dabei eine zentrale Strategie: Sie sendet das Signal, dass einzelne Erfahrungen kollektive Wirklichkeit abbilden – und ernst genommen werden.
Demokratie ist kein Selbstläufer
Die Fachtagung war mehr als eine Bestandsaufnahme. Sie bot Raum für Austausch, gemeinsames Nachdenken und neue Allianzen. „Wir müssen nicht kämpfen, wir müssen verteidigen“, sagte Milanie Kreutz – und traf damit den Nerv der Zeit. Gleichstellung ist kein fertiges Projekt, sondern ein Versprechen, das immer wieder eingelöst werden muss – besonders, wenn der Wind sich dreht. Was es jetzt braucht, ist keine Rückzugsstrategie, sondern demokratische Standfestigkeit: ein öffentlicher Dienst, der als verlässlicher Anker in unruhigen Zeiten gestärkt wird. Und mehr Männer, die sich nicht vom Gegenwind einschüchtern lassen, sondern aktiv an Gleichstellung mitwirken. Denn ob in Kitas, Klassenzimmern oder Kommunalparlamenten – dort, wo Beteiligung möglich ist, entstehen Räume, die auch bei stürmischem Wetter tragen.
Jennifer Fischer-Falckenberg