Das Thema ist über Diskussionen am Küchentisch hinaus. Inzwischen beschäftigen sich auch Gerichte damit, ob in bestimmten Bereichen «gegendert» werden soll oder nicht. Im sensiblen Umfeld Schule gibt esunterschiedliche Vorstellungen dazu.
«Schüler_innen», «Schüler*innen», Schüler:innen» – sollen solche Formen, die nach Ansicht der Befürworter alle Menschen besser sichtbar machen, von Lehrkräften im Unterricht verwendet werden oder nicht? Ein Fall in Berlin lenkt den Blick wieder auf dasThema. Bildungsgewerkschaften und Lehrerverband vertreten dazu unterschiedliche Ansichten. Bundeseinheitliche Vorgaben gibt es bisher nicht. Aktueller Hintergrund ist ein Fall in Berlin: Ein Vater war mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht gescheitert und will nun nach Angaben des Vereins Deutsche Sprache, der ihn unterstützt, eine Instanz höher vor das Oberverwaltungsgericht ziehen. Dem Gericht lag der Fall am Donnerstag allerdings noch nicht vor, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Der Vater wendet sich dagegen, dass Lehrkräfte an der Schule seiner Töchter teils beim Sprechen Pausen lassen – etwa bei dem Wort «Lehrer-innen». Teils würden auch Sternchen oder ein sogenanntes Binnen-I in Mails an Eltern oder in der schulischen Aufgabenstellung verwendet.
Für die amtliche Rechtschreibung ist der Rat für Deutsche Rechtschreibung zuständig. Ihm gehören Mitglieder aus sieben Ländern und Regionen an. Das Gremium hat laut seinem Statut die Aufgabe, «die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks (…) weiterzuentwickeln». Der Rat hatte in seiner letzten, zwei Jahre alten Stellungnahme die Aufnahme von Genderstern, Unterstrich, Doppelpunkt «oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das amtliche Regelwerk» nicht empfohlen. Darauf verweisen manche Bundesländer, wenn es zum Thema Gendern an ihren Schulen kommt. Andere gehen weiter: Sachsen hatte etwa 2021 angewiesen, entsprechende Zeichen im Schulbereich und in offiziellen Schreiben von Schulen nicht zu verwenden. Schleswig-Holstein hatte verfügt, Sternchen, Binnen-I oder ähnliche Schreibweisen in Prüfungen als Fehler zu werten. In Baden-Württemberg gibt es laut Kultusministerium in den Beurteilungs- und Korrekturrichtlinien für Abschlussprüfungen keine Vorgaben zum Thema. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und auch der Landesverband der Bildungsgewerkschaft VBE sind aber gegen Gendern im Klassenzimmer. In Niedersachsen vertritt die Landesregierung die Ansicht, gegenderte Schreibweisen sollten in Prüfungen nicht als Fehler gewertet, aber auch nicht vorgeschrieben werden. Bayern verweist für den Unterricht auf die amtliche Rechtschreibung und auf die mögliche Nutzung von «Paarformen» wie «Schülerinnen und Schüler». Im öffentlichen Schriftverkehr, also zum Beispiel mit Eltern, trügen die Schulen aber «im Rahmen ihrer Eigenverantwortlichkeit (…) für die Einhaltung sprachlicher Normen selbst Verantwortung». Der Verein Deutsche Sprache kritisierte einen «Wildwuchs». Wenn ein Kind von einem in ein anderes Bundesland ziehe, müsse es sich auf eine verbindliche Rechtschreibung verlassen können. Lehrerpräsident Meidinger forderte, Schule solle ein neutraler Ort sein. Es sei nicht auszuschließen, dass durch demonstrative Verwendung von nicht amtlichen Genderschreibweisen bei Schülern ein Anpassungsdruck entstehe. Meidinger sprach sich aber dafür aus, im Unterricht zu thematisieren, «wie gendergerechte Sprache aussehen kann und soll».
Berlin (dpa)