Die Studien, Umfragen, Gutachten und Expertisen, die die Missstände in Schule und Kita aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchten und die Voraussagen des VBE bekräftigen, häufen sich. Die neueste von der Kultusministerkonferenz (KMK) beauftragte Studie „IQB-Bildungstrend 2021“ erhebt die Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe. Veröffentlicht am 17. Oktober 2022 ist es der dritte Ländervergleich der IQB und die Ergebnisse sind alarmierend. Die Kompetenzen der Viertklässler:innen in den Bereichen Lesen, Zuhören sowie Orthografie und Mathematik nehmen kontinuierlich ab. Zunehmend mehr Schüler:innen erreichen die Mindeststandards nicht und die soziale Schere klafft immer weiter auseinander:
Gerade die Schwächsten und Förderbedürftigsten werden immer mehr abgehängt. Ungleichheiten in Abhängigkeit von sozialem und zuwanderungsbezogenem Hintergrund haben sich ebenfalls weiter verstärkt. Simone Fleischmann, stellvertretende Bundesvorsitzende des VBE, Arbeitsbereich Schul- und Bildungspolitik, und Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands BLLV, kommentiert die Ergebnisse aus Bundesperspektive: „Wir Lehrerinnen und Lehrer wissen das natürlich. Wir wissen ganz genau, wo unsere Schülerinnen und Schüler stehen. Dazu brauchen wir keine groß angelegten Studien. Aber es tut auch gut, zu sehen, dass wir richtigliegen, und belegen zu können, wo wir heute an den Schulen stehen. Und diese validen Zahlen sind wichtig, um politische Forderungen abzuleiten und zu untermauern! Wenn unsere Forderungen nach Inklusion, nach multiprofessionellen Teams, nach individueller Förderung, nach professionellen Lehrerinnen und Lehrern aber ins Leere laufen, weil eben hinten und vorne Personal fehlt, dann nützt natürlich alles nichts. Wenn Profis wie Schulpsychologen und Beratungslehrkräfte da sind, aber wegen des Personalmangels die Klassenleitung übernehmen müssen, statt ihre spezifischen Kompetenzen einzubringen, dann sind wir machtlos“.
Dass die Probleme nicht erst in der Schule beginnen, sondern massive Missstände mit entsprechenden Folgen für die Kinder bereits im frühkindlichen Bereich bestehen, hat die im Frühjahr vom VBE mitherausgegebene DKLK-Studie erneut bestätigt. Nun untermauert das von der Bertelsmann Stiftung herausgegebene Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme diese Erkenntnisse mit mehr als besorgniserregenden Zahlen: Im Jahr 2023 fehlen demnach rund 384.000 Kita-Plätze, der Fachkraft-Kind-Schlüssel liegt in Ostdeutschland in 90 Prozent, in Westdeutschland in 63 Prozent unterhalb der wissenschaftlichen Empfehlungen. Allein um dieses Defizit auszugleichen, müssten laut Studie 308.800 Fachkräfte zusätzlich beschäftigt werden. Dazu kommentiert der Bundesvorsitzende des VBE, Udo Beckmann: „Die Ergebnisse zeigen einmal mehr erschreckend deutlich: Die Bildungs- und Betreuungsqualität in den Kitas ist massiv gefährdet, der Mangel an Fachkräften ist eklatant, das Platzangebot reicht bei Weitem nicht aus! Die Zahlen belegen, dass die bisherigen Maßnahmen der Politik absolut unzureichend sind. Das politische Versagen in der Vergangenheit gefährdet die Zukunft der Kinder und, infolge ständiger Überlastung, die Gesundheit des pädagogischen Fachpersonals. Der Rechtsanspruch von Eltern auf einen Betreuungsplatz wird vielerorts ad absurdum geführt. Die Situation lässt sich nicht mehr schönreden. Die Personallage in den Kitas entspricht immer mehr einer Notversorgung. Individuelle Förderung zur Behebung von Bildungsungerechtigkeit ist kaum möglich. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Kinder derzeit von einem unterfinanzierten Teil des Bildungssystems, der Kita, in den nächsten unterfinanzierten Bereich, die Schule, weitergereicht werden. Das ist unverantwortlich.“