Rheinland-Pfälzische Schule

Arbeitszeiterfassung: Klare Forderungen für unsere Lehrkräfte in RLP

Mitte Februar 2025 sorgte ein Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht nur in Kreisen von Lehrkräften bundesweit für Schlagzeilen. Einem ehemaligen Grundschulrektor wurde von den Richterinnen und Richtern rund 31.000 Euro als finanzieller Ausgleich für zu viel gearbeitete Stunden von November 2017 bis einschließlich Juli 2022 zugesprochen.

Der Grundschulrektor hatte seine Arbeitszeit lückenlos dokumentiert. Die dabei berechnete wöchentliche Mehrarbeit wurde in weiten Teilen von einem Expertengremium bestätigt. Die Diskussionen um die Einführung einer Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften rückt auch mit dieser Schlagzeile wieder in den Fokus. Bereits im Jahr 2019 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedsstaaten die Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, ein objektives und verlässliches System zur Messung der täglichen Arbeitszeit einzuführen, um u.a. bei den Arbeitnehmenden die Einhaltung von Erholung und Ruhe sicherzustellen und damit deren Gesundheit zu schützen. Es wurde kein zeitlicher Rahmen zur Umsetzung festgelegt. Doch im Jahr 2022 hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil klargestellt, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits besteht. 

Im Jahr 2023 wies das Bundesarbeitsministerium das Ersuchen einer Ausnahmeregelung für Lehrkräfte von der damaligen Vorsitzenden der KMK, Katharina
Günther-Wünsch, zurück, die erklärt hatte, dass nur die Arbeitszeit für die erteilten Unterrichtsstunden messbar seien, aber die außerunterrichtlichen Aufgaben wie Vor- und Nachbereitung, Konferenzen oder Elternarbeit nicht vorhersehbar und überprüfbar seien. Eine nachträgliche Dokumentation dieser Tätigkeiten am Ende des Arbeitstages steht dem Bundesarbeitsministerium nach nichts im Wege. Zudem wurde klargestellt, dass das Arbeitsschutzgesetz und damit auch die vorgesehene Arbeitszeiterfassung für angestellte und verbeamtete Lehrkräfte gilt. 

Bei der letzten Sitzung des VBE-Hauptausschusses Anfang März waren wir uns daher beim gewinnbringenden Austausch über die Arbeitszeiterfassung einig, dass mit deren Einführung auch für die Lehrkräfte in RLP fest zu rechnen ist, wenn auch zu einem noch unbekannten Zeitpunkt und auch noch in unbekannter Form. Mit Blick auf diese beiden Unbekannten stellen wir daher schon heute Forderungen im Interesse der Lehrkräfte in RLP hinsichtlich der Rahmenbedingungen einer Arbeitszeiterfassung und bieten hier auch, wie von uns gewohnt, einen Dialog mit den Verantwortlichen an. 

Zur besseren Nachvollziehbarkeit dieser Forderungen werden vorab die wichtigsten Argumente für die Arbeitszeiterfassung im hier vorgegebenen kleinen Rahmen skizziert: Das eingangs gegebene Fallbeispiel und die Einwände der KMK müssen im Zusammenhang mit der bereits von Gutachtern bestätigten Tatsache gesehen werden, dass ein Großteil der Lehrkräfte, entgegen der in der Öffentlichkeit noch immer weit verbreiteten gegenteiligen Meinung, die tariflich vereinbarte Arbeitszeit überschreitet. Zu den gewohnten Tätigkeitsfeldern, wie z.B. die Vor- und Nachbereitung von Unterricht, Gespräche, Konferenzen, Kooperationen und Schulentwicklung, steigern sich in den letzten Jahren viele weitere nicht-unterrichtliche Tätigkeiten im hohen Maße, die durch den gesellschaftlichen Wandel und durch eine heterogener werdende Schülerschaft bedingt sind. Dies schlägt sich z.B. in zeitintensiven Elternberatungen (auch in erzieherischen Grundfragen), „runden Tischen“ mit außerschulischen Institutionen, Klassenkonferenzen, Förderplanberatung usw. nieder. 

Die Unterrichtsvorbereitung erfordert aufgrund der immer individuelleren Förderung im Rahmen der Binnendifferenzierung stetig mehr zeitliche Ressourcen. Hinzu kommen neue verpflichtende Aufgaben von Seiten der Politik, die von den Schulen oftmals konzeptionell erarbeitet, durchgeführt und evaluiert werden müssen. Bei einer Erfassung der Arbeitszeit würden die beschriebene Mehrbelastung sowie die zu erwartende Überschreitung der Wochenarbeitszeit wohl sichtbar. Für die Erfassung der Arbeitszeit müsste zunächst die schon seit langem geforderte Arbeitsplatzbeschreibung für Lehrkräfte erstellt werden, womit klar würde, was deren Aufgaben sind und was nicht. Bei regelmäßig überschrittener Arbeitszeit müssen daraus Maßnahmen erfolgen, wie z.B. Aufgaben zu reduzieren oder diese auf andere Personen zu übertragen, die auch dazu beitragen, dass Lehrkräfte wirklich „Feierabend“ haben und vor Überlastungen und daraus resultierenden möglichen Erkrankungen geschützt sind. 

Unsere wichtigsten Forderungen (die auch Contra-Argumente zu den zuvor genannten Argumenten aufgreifen) bei einer Einführung einer Arbeitszeiterfassung für unsere Lehrkräfte in RLP lauten wie folgt:

  • Erstellung einer Arbeitsplatzbeschreibung von Lehrkräften, um die Grundlage für die Feststellung und Erfassung der Arbeitszeit festzulegen. 
  • Ausrichtung der Wochenarbeitszeit der Lehrkräfte nach der jeweils gültigen Arbeitszeit der übrigen Landesbediensteten, die nicht nach politischem Belieben immer weiter gefüllt werden darf.
  • Im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dessen Attraktivität muss für die Lehrkräfte die zeitliche und örtliche Flexibilität und Freiheit hinsichtlich der Vor- und Nachbereitung ihres Unterrichts und sonstiger dienstlicher Tätigkeiten erhalten bleiben.
  • Eine Erfassung der Arbeitszeit muss leicht handhabbar und ohne besonderen Zeitaufwand und der Notwendigkeit privater Endgeräte erledigt werden können. 
  • Die Art und Umsetzung der Arbeitszeiterfassung darf nicht zur Leistungskontrolle geeignet sein. 
  • Die Schulleitungen müssen geschult werden und die Möglichkeit haben, Kolleginnen und Kollegen im Bedarfsfall zu entlasten, ohne die anderen zusätzlich zu belasten.
  • Eine Arbeitszeiterfassung darf weder zur Rationalisierung der Arbeit von Lehrkräften führen noch zu Vorgaben von „Normzeiten“ für Aufgaben. 

Der VBE RLP wird die Interessen der Lehrkräfte bei einer Einführung der Arbeitszeiterfassung nachhaltig vertreten!

 Thomas Knies