Rheinland-Pfälzische Schule

Anerkennung?

„Ich hätte auch gern ständig Ferien.“

„Vormittags recht haben, nachmittags frei.“

„Einmal vorbereitet und man muss nie wieder was machen.“

Diese Vorurteile, die für andere Vorteile zu sein scheinen, begleiten mich, seitdem ich nur darüber nachgedacht habe, den Beruf der Lehrerin zu ergreifen. Wir alle kommen wohl ständig in den Genuss dieser Aussagen. Sehr gern weise ich immer wieder auf den Lehrkräftemangel und die damit verbundenen guten Einstellungschancen hin. Es folgt unser aller Platz eins:

„NEIN, ICH KÖNNTE DAS JA NICHT!“

Was denn genau?

Individuen zu erklären, wie sie lesen, schreiben, rechnen? Warum Rechtschreibung und Grammatik wichtig sind? Wie unser Planet aufgebaut ist? Phänomene unseres eigenen Körpers oder der Tierwelt? Wie sie kreativ sein können? Dass es mehr Sprachen als nur die deutsche gibt und wie toll diese klingen? Warum wir in einer Demokratie leben und es wichtig ist, diese zu schützen?

Oder bezieht sich die Aussage auf die Aufgabe, ebenjenen Individuen ein friedliches Miteinander beizubringen, wie sie Konflikte lösen, dass es wichtig ist, miteinander statt nur übereinander zu sprechen, dass alle Emotionen in Ordnung sind und diese gezeigt werden dürfen, dass kein Mensch alles weiß, dass wir nicht nur miteinander, sondern auch voneinander lernen? „Ich könnte das nicht.“

Du könntest Kinder und Jugendliche nicht auf ihrem Weg begleiten, ihren Horizont zu erweitern? Du könntest sie nicht mit Freude an ihren Herausforderungen wachsen sehen und mit ihnen gemeinsam Erfolge feiern? Warum nicht?

Oder könntest du nicht 25 und mehr Schüler*innen gleichzeitig betreuen, mit vielen verschiedenen Bedürfnissen? Oder liegt es daran, dass diese 25 und mehr auch alle Eltern haben, die deine Zeit außerhalb des Unterrichts fordern? Manche ja sogar häufiger als andere. Ist das Problem, dass es nicht gewährleistet ist, dass dein Arbeitsplatz, die Schule, über eine zeitgemäße digitale Ausstattung verfügt und du dich nicht selbst um Laptop, Tablet, Soundbox und mehr kümmern musst?

Dass nicht gewährleistet ist, dass du so viel kopieren kannst, wie es notwendig wäre? Dass du dein Material zu Hause erstellen und drucken musst? Dass du, obwohl du einen Arbeitsplatz an deinem Arbeitsort bräuchtest, keinen hast und dir zu Hause ein Büro einrichten musst? Möglicherweise liegt es aber auch an der Erwartungshaltung dir gegenüber, denn am besten bist du jederzeit erreichbar, um dich um die verschiedensten Themen zu kümmern, und das am besten sofort. Dazu kommt die Sorge, all diese Themen nicht fristgerecht abzuarbeiten. Oder geht es in eine ganz andere Richtung, wie Gewalt gegenüber Lehrkräften, weil du ja allein in der Klasse stehst? Bezieht sich „Ich könnte das nicht“ auf die Planung deines Alltags, weil die Öffnungszeiten der Kita mit deinem Beruf schwer bis nicht vereinbar sind und du die Hilfe anderer brauchst? Siehst du das Problem in den fehlenden multiprofessionellen Teams, die dafür sorgen könnten, dass du dich auf deinen Unterricht und das Lernen konzentrieren könntest statt auf bürokratische, soziale, psychologische Arbeit?

 Das verstehe ich.

Aber denk doch an die vielen Augen, die leuchten, weil eine individuelle Hürde genommen wurde, weil sich neue Freundschaften gefunden haben, weil ein Konflikt bewältigt wurde, weil euch der Wandertag zusammengeschweißt hat, weil nicht nur du dich freust und stolz bist, sondern auch die Klasse, in der du Lehrkraft bist. Denk an die Projekte, die ihr bearbeitet und voller Stolz präsentiert, die Meilensteine in der Entwicklung, die ihr gemeinsam erlebt, Erlebnisse, die zusammenschweißen, das gemeinsame Lachen.

Mein Beruf Lehrerin ist toll. Aber ich verstehe deine Bedenken, denn sie sind real. Aber das haben noch nicht alle verstanden. Werde Lehrkraft und sei laut. Du bist für Kinder und Jugendliche eine Person, die sie in einer Zeit begleitet, an die sie sich für immer (!) erinnern werden. Du unterstützt sie auf ihrem Weg in die Zukunft.

„Nein, ich könnte das nicht.“ – Okay. Aber dann sieh endlich ein, dass der Beruf viel mehr ist als ständig Ferien und wenig Vorbereitung. Das ist nicht nur meine Leidenschaft. Das ist der Grund, warum du dich am gesellschaftlichen Leben beteiligen kannst.

Wir sind eure Basis und noch so viel mehr.

 Annika Ollenschläger