Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer erinnert sich nicht gerne an die Studienzeiten zurück? Bei mir ist das jedenfalls so, und ich verbinde sie mit vielen tollen Momenten mit Freundinnen und Freunden sowie interessanten und weniger interessanten Veranstaltungen. Dieser Zeitabschnitt prägt uns auf jeden Fall. Das Wintersemester steht nun wieder vor der Tür, und viele motivierte junge Menschen entscheiden sich für den Beginn eines Lehramtsstudiums. Mit großen Erwartungen und dem vielfachen Wunsch, die Schule zu verbessern, starten sie in einen neuen Abschnitt ihres Lebens. Durch Vorlesungen und Seminare zu vielfältigen fachlichen und pädagogischen Themen sowie durch Gespräche mit Kommilitoninnen und Kommilitonen an den Universitäten entwickeln sie Vorstellungen darüber, wie Schule gestaltet werden könnte. Doch so schön all diese Vorstellungen auch sind, die Realität zeigt sich häufig etwas anders.
Sie alle kennen die vielfältigen Herausforderungen und umfangreichen Aufgaben, die mit dem Lehrberuf heutzutage einhergehen. Das Unterrichten steht nicht mehr allein im Vordergrund; vielmehr gilt es, zahlreiche Aufgaben zu bewältigen, um die Kinder und Jugendlichen bestmöglich auf ein selbstbestimmtes Leben vorzubereiten. Nicht umsonst sprechen wir von den benötigten multiprofessionellen Teams, in denen wir gemeinsam die umfassenden Anforderungen angehen könnten.
Die Studierenden treffen jedoch erst nach einigen Jahren des Studiums im Referendariat auf diese Herausforderungen, denn die kurzfristigen Praktika bieten keinen umfassenden Einblick in das System Schule. Dies wird immer wieder von Referendarinnen und Referendaren moniert, die sich einen größeren Praxisanteil während ihres Studiums wünschen. Rheinland-Pfalz ist dabei eines der wenigen Bundesländer, die kein Praxissemester oder eine vergleichbare Phase in das Lehramtsstudium integrieren. Dabei sind die Erfahrungen aus der Praxis so wichtig, da sie es ermöglichen, den Schulalltag mit seinem ganzheitlichen Aufgabenbereich kennenzulernen. Die Studierenden gewinnen durch Praxissemester nicht nur Meta-Kompetenzen und einen tieferen, authentischen Einblick in die Schule und den Lehrberuf, sondern können damit auch ihre berufsbezogene Selbstwirksamkeitsüberzeugung steigern.
Doch nicht nur der Praxisanteil kommt im Studium zu kurz. Auch in anderen Bereichen muss man sich den Gegebenheiten anpassen und das Studium weiterentwickeln. Überall wird gefordert, mit der Digitalisierung voranzuschreiten, auch an unseren Schulen. Natürlich ist die Ausstattung der Schulen nicht perfekt, aber digitale Medien werden uns in Zukunft überall begleiten. Doch wie setzt man diese sinnvoll ein? Wie unterstützen sie uns bei der Vorbereitung und im Alltag einer Lehrkraft? Inwiefern wird künstliche Intelligenz (KI) in Zukunft den Lehrplan verändern? Es ist unabdingbar, dass sich die Studierenden frühzeitig mit diesen Fragen beschäftigen.
Das Team vom Jungen VBE hat sich aus diesen und weiteren Gründen auf den Weg gemacht, das Lehramtsstudium in Rheinland-Pfalz neu zu denken, und ein Positionspapier entwickelt. Dieses wurde beim Hauptausschuss verabschiedet, und wir dürfen auf die politischen Gespräche gespannt sein. Wir setzen uns dafür ein, dass das Lehramtsstudium zukunftsfähig aufgestellt wird, damit die Kolleginnen und Kollegen von morgen gut auf die Herausforderungen in unserem Beruf vorbereitet sind. Dabei können wir als Mentorinnen und Mentoren ebenfalls eine gewichtige Rolle spielen und den angehenden Lehrkräften mit unserer Expertise und Erfahrung zur Seite stehen und sie in ihrem Tun bestärken. Gerade in Zeiten des Lehrkräftemangels ist es notwendig, junge Menschen für unseren Job zu begeistern und ihnen aufzuzeigen, wie erfüllend dieser Beruf sein kann.
In diesem Sinne wünsche ich allen Studierenden einen guten Start ins neue Semester und uns Lehrkräften die Kraft, den Mut und die Ausdauer, junge Menschen bestmöglich auf ihrem Weg ins Lehramt zu begleiten und zu unterstützen.
Fabian Reichert
Sprecher des Jungen VBE