Im Rahmen des gesetzlichen Anhörungsverfahrens zeigt der VBE klare Haltung:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Übersendung der oben genannten Entwürfe sowie die Möglichkeit einer Stellungnahme.
Die vorgelegten Entwürfe sind aus unserer Sicht an verschiedenen Stellen in der Ausrichtung und Zielstellung unklar, daher wäre es bedeutend, wenn wir mit unserer Expertise miteingebunden werden.
Bitte beachten Sie daher, dass wir im Folgenden die nach unserer Ansicht noch fehlenden und dringend notwendigen Änderungen sowohl zu der Grundschulordnung als auch zu der Verwaltungsvorschrift erläutern, mit dem Ziel, eine wirksame Entlastung der Grundschullehrkräfte in Angriff zu nehmen.
Zu den geplanten Änderungen nehmen wir wie folgt Stellung und bitten um entsprechende Beachtung: Änderung Schulordnung für die öffentlichen Grundschulen.
Grundsätzliches: Prinzipiell bedauern wir es, dass die Novellierung der Grundschulordnung nicht weiter reicht, als es der Entwurf darstellt.
Wir regen deshalb dringend dazu an, eine Vereinheitlichung der Zeugnisformulare der Klassenstufen 1 bis 4 zu durchgängigen Kompetenzstufenzeugnissen anzugehen. Dies deshalb, weil sie klar und übersichtlich aufgebaut und sowohl für die Eltern als auch für die Schüler besser lesbar und verständlich formuliert sind.
Gleichzeitig bietet die Vereinheitlichung den Eltern die Möglichkeit, Verbesserungen oder Verschlechterungen der Leistungen ihres Kindes in den einzelnen Fächern und Klassenstufen mit einem Blick zu bewerten und zu vergleichen. Die Vereinheitlichung würde allen Beteiligten eine klare Übersicht verschaffen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Eltern nicht annährend die Kenntnis vom wirklichen Leistungsstand des Kindes erlangen, weil sie das Verbalzeugnis nicht oder nur teilweise verstehen. Der mit der Erstellung der Verbalzeugnisse verbundene Aufwand steht in keiner Weise im Verhältnis zum Nutzen, denn die Klassenlehrer sind mehrere Stunden und Wochen damit beschäftigt, umfangreiche Texte für Zeugnisse zu verfassen. Sie haben dadurch einen enormen Mehraufwand, der am Ende nicht den Zweck erfüllt, den es eigentlich erfüllen sollte, da die Botschaft dahinter nicht beim Adressaten ankommt. Viele Schulen haben in diesem Wissen bereits die Protokolle der Lehrer-Eltern-Schüler-Gespräche entsprechend den Kompetenzstufenzeugnissen in den Klassenstufen 3 und 4 angepasst. Durch die aber immer noch vorgeschriebene überholte Form der Verbalbeurteilung am Ende der Klassenstufen 1 und 2 entsteht ein unnötiger Bruch. Das Kompetenzstufenraster ist mittlerweile geübte Praxis in vielen Bundesländern und bietet eine durchgängige und effiziente Sicht auf die Lernentwicklung von Klassenstufe 1 bis 4. Die Änderung der Grundschulordnung könnte so auch einer zeitgemäßen – geradezu überfälligen – Modernisierung der Zeugnispraxis dienen. Die damit verbundene Entlastung für die Kolleginnen und Kollegen ist dabei ein willkommener Nebeneffekt im Hinblick auf die deutliche Mehrbelastung durch die nun verpflichtenden Diagnoseinstrumente des Cornelsen-Verlages.
Darüber hinaus ist eine Reduzierung der Leistungsnachweise in den Klassenstufen 3 und 4, insbesondere im Zusammenhang mit dem verpflichtenden Einsatz der Diagnosematerialien, unbedingt zu prüfen.
Um den mit den Programmen „Lesen macht stark“ und „Mathe macht stark“ einhergehenden Mehraufwand auszugleichen, erachten wir es als sinnvoll, die Leistungsnachweise in den Klassenstufen 3 und 4 zu reduzieren. Der verpflichtende Einsatz der beiden Programme ist mit einem hohen Mehraufwand (z. B. Einzelinterviews) verbunden, welcher nicht nur die Lehrkräfte belastet, sondern auch die Schüler. Mit der o. g. Reduzierung wären sowohl die Grundschullehrkräfte als auch die Schüler entlastet. Zudem ist durch die zusätzliche verpflichtende Diagnostik die Anzahl der Leistungsnachweise weder gerechtfertigt noch notwendig.
Des Weiteren erwarten wir mit der Herausgabe der neuen Grundschulordnung sowohl, dass erneut eine kommentierte Fassung der Schulordnung für die öffentlichen Grundschulen angeboten wird, als auch, dass die Veröffentlichung von FAQs zur Grundschulordnung auf dem Bildungsserver zur Verfügung gestellt wird. So kann gewährleistet werden, dass wichtige Paragrafen oder Konkretisierungen erläutert werden, z. B. der Wegfall des Portfolios, die Grenzen einer „Anordnung einer Sprachförderung“ und die Gründe, warum die Bezeichnung „integrierte Fremdsprachenarbeit” nicht mehr angewandt wird. Als Verband erreichen uns deutliche Signale der Verunsicherung in den Schulen, die auch nicht durch die Schulleiterdienstbesprechungen aufgelöst werden konnten. Ohne die oben geforderte Aufklärung wird die gewünschte Umsetzung nicht erfolgen können.
Auch wenn der Besuch einer Kindertagesstätte im letzten Jahr vor der Einschulung nicht verpflichtend auferlegt werden kann, sehen wir eine Mindestdauer und einen möglichst täglichen Kita-Besuch als zentrale Gelingensbedingungen zur Erlangung von Sprachförderung. Aufgrund dessen sind deutliche Empfehlungen seitens des Ministeriums gegenüber allen Eltern künftiger Schulkinder wünschenswert.
Im Einzelnen:
Zu § 10 (3)
Wir halten es für sinnvoll und zielführend und teilen die Auffassung, dass das Anmeldeverfahren zum Besuch der Grundschule in den Zeitraum der ersten drei vollständigen Schulwochen zu Beginn des zweiten Halbjahres vorverlegt wird, um eine notwendige Sprachförderung bis zur Einschulung wirksam werden lassen zu können. Diese Vorgehensweise wird ausdrücklich befürwortet.
Zu § 11 (3)
Der in Absatz 3 vorgeschlagene Zeitraum für die Überprüfung der Feststellung eines Sprachförderbedarfs „bis zum Beginn der Osterferien des Kalenderjahres, das der Einschulung vorausgeht“, ist aus unserer Sicht – je nach Terminierung der Ostertage – sehr kurz bemessen. Bekanntermaßen sind die Elternhäuser der betroffenen Kinder nur schwer erreichbar und eine Terminabsprache dadurch erst nach mehreren Kontaktversuchen seitens der Schule möglich. Wir schlagen deshalb vor, einen Zeitraum von „bis zu einem Monat nach der Schulanmeldung“ zu wählen.
Für den Fall, dass eine Sprachförderung festgestellt wird, wird die beschriebene Anordnung einer Teilnahme an einer Sprachförderung in einer Kindertageseinrichtung im Umfang von 15 Stunden pro Woche nicht greifen können, da die Sprachförderung an rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten grundsätzlich integrativ stattfindet. Diese Anordnung kann aus unserer Sicht nicht umgesetzt werden und ist aus dem Entwurf zu streichen, da sie keinesfalls praktikable Alternativen zum Kita-Besuch bietet. Alternativ könnte man über gezielte und nicht integrative Sprachfördermodelle nachdenken.
Verwaltungsvorschrift „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“
Die Novellierung zielt darauf ab, die Lernzeit im Fach Deutsch im Verlauf der vier Grundschuljahre zu erhöhen. Die Umsetzung soll durch die Zuweisung einer zusätzlichen Lehrerwochenstunde in Klassenstufe 2 erfolgen und erfordert darüber hinaus Veränderungen bei der Festlegung der Stundenansätze in den Fächern und Lernbereichen der Klassenstufen 2 bis 4.
Grundsätzlich unterstützen wir das Vorhaben einer Lernzeiterweiterung und der damit verbundenen Investition in die Personalausstattung der Grundschulen, bitten jedoch um Beachtung folgender ernsthafter Bedenken:
Im Einzelnen zu Nummer 3 „Fächer und Lernbereiche“
- Der Ansatz des integrativen Lernens im Fremdsprachenunterricht ist gefährdet.
Es wird befürwortet, dass die geplante Konzentration des Fremdsprachenlernens in der Grundschule auf die Klassenstufen 3 und 4 übertragen wird.
Durch die Ausweisung eines 2-stündigen Fachunterrichts im Stundenplan ist jedoch der Verlust einer integrativen, fächerverbindenden und fächerübergreifenden Spracharbeit zu befürchten. Daher ist das Festhalten an den Grundsätzen der Wissens- und Kompetenzentwicklung sowie den didaktisch-methodischen Leitvorstellungen des Teilrahmenplanes Fremdsprachenarbeit in der Grundschule sicherzustellen und zu fördern. Es muss deutlich kommuniziert werden, dass unverändert das Kompetenzniveau A1 (elementare Sprachanwendung nach europäischem Referenzrahmen) erreicht werden soll. Der Orientierungsrahmen Fremdsprachenarbeit ist entsprechend anzupassen.
- Die in Klammern dargestellten Stundenansätze der Fächer und Lernbereiche geben einen zu starren Rahmen vor.
Bisher erfolgte die Festlegung der Zeitanteile über eine Angabe von Gesamtminuten bzw. Lehrerwochenstunden für die einzelnen Lernbereiche. Die Unterrichtsumfänge für Deutsch und Sachunterricht sowie für Musik, Sport und Kunst sind in Summe dargestellt.
Diese Art der Vorgabe ermöglicht den Schulen ein hohes Maß an Flexibilität, was sich positiv sowohl auf die Unterrichtsorganisation als auch auf die Qualität des Unterrichts auswirkt. Themenbezogene Schwerpunktsetzungen und Projektarbeiten sind gut möglich.
Wir halten es daher für unverzichtbar, den Schulen diese Möglichkeit weiterhin zu eröffnen. Die Angaben in den Klammern können allenfalls als Richtwerte dienen, die innerhalb eines Schuljahres zu erfüllen sind. Sie sind entsprechend zu kennzeichnen und zu erläutern.
- Die für das Fach Religion/Ethik vorgesehenen Zeitanteile in Klassenstufe 3 und 4 sind zum Nachteil anderer Fächer zu groß bemessen (Nummer 3 – Fächer und Lernbereiche).
Die geplante Umsetzung der Stundentafelerweiterung führt zwangsläufig auch zu Verschiebungen von Unterrichtszeiten zwischen den Jahrgangsstufen 2 und 3.
Die Mitbestimmungsvorlage stellt dar, dass ab der Klassenstufe 3 das Fach Religion/Ethik weiterhin mit 2,5 Unterrichtsstunden erteilt werden soll. Die Fächer Sport, Kunst, Musik und Fremdsprache sind 2-stündig geplant. Diese Gewichtung und Alleinstellung des Fachs Religion/Ethik in den Klassenstufen 3 und 4 können wir nicht nachvollziehen. Bedeutet dies doch, dass das Fach Religion in der Grundschule einen höheren Anteil erhält als das Fach Sport. Verglichen mit den anderen Schulformen, in denen die Gewichtung genau andersherum getroffen wurde, sollte dies auch in der Grundschule in gleicher Weise gewichtet werden.
Dementsprechend fordern wir, auch Religion in den Klassenstufen 3 und 4 jeweils 2-stündig zu unterrichten.
Die durch diese Kürzung zur Verfügung stehende halbe Unterrichtsstunde kann nach Bedarf als Aufstockung den Fächern Sport, Musik, Kunst oder Religion zugeteilt werden.
Den Schulen entstehen dadurch bedeutsame Spielräume für Unterrichtsorganisation und Profilierung. Sie werden so in die Lage versetzt, beispielsweise Sport weiterhin in drei Einheiten anzubieten, auch künftig Schwimmunterricht einzuplanen oder (temporäre) Schwerpunkte in den Fächern Religion/Ethik, Kunst und Musik zu setzen.
Wir danken Ihnen, dass unsere Stellungnahme sowohl bei der neuen Schulordnung als auch in der Verwaltungsvorschrift berücksichtigt wird. Bei Rückfragen nehmen Sie gerne direkt Kontakt auf. Auch zu einer persönlichen Erläuterung unserer Stellungnahme sind wir gerne bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Lamowski, Landesvorsitzender des VBE Rheinland-Pfalz
Oliver Pick, stellv. Vorsitzender des VBE Rheinland-Pfalz