Einen Studienplatz für Medizin zu bekommen, ist alles andere als einfach. Dabei werden Ärzte dringend gesucht. Wo ist der Engpass und was kann man ändern?
Die Hürden für ein Medizinstudium sind hoch. Auf jeden Studienplatz bewerben sich drei bis vier Mal so viele Kandidaten. Dabei fehlen Ärztinnen und Ärzte auch in hessischen Praxen und Kliniken. «Um die künftige medizinische Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können, brauchen wir dringend mehr Medizinstudienplätze», sagt der Präsident der Landesärztekammer Hessen, Edgar Pinkowski. «Die begrenzte Anzahl von Plätzen ist die größte Hürde.» Wieso lässt man nicht einfach mehr Menschen Medizin studieren? Grund ist das Geld. «Medizinstudienplätze gehören zu den teuersten Studienplätzen überhaupt», argumentiert das Wissenschaftsministerium: «Ein Medizinstudienplatz kostet das Land bis zum dritten Staatsexamen rund 250 000 Euro.» Außerdem braucht man für die Ausbildung auch klinische Kapazitäten – die Universitätskliniken in Hessen seien mit der Ausbildung der bereits eingeschriebenen Studierenden ausgelastet.
«Das Land Hessen bildet im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl überdurchschnittlich viele Ärztinnen und Ärzte aus», rechnet das Wissenschaftsministerium vor. Im Wintersemester 2022/23 stehen in Hessen 1149 Plätze für Erstsemester zur Verfügung. Medizin studieren kann man an drei Standorten: Marburg, Gießen und Frankfurt. Die Frankfurter Goethe-Universität war vergangenes Jahr in die Schlagzeilen geraten, nachdem versehentlich 250 freie Plätze zu viel gemeldet wurden. Die Studienplätze werden in einem zentralen, bundesweiten Verfahren vergeben, organisiert durch die Stiftung für Hochschulzulassung in Dortmund. Dabei spielen verschiedene Quoten eine Rolle – für Laien ist das nahezu undurchschaubar. Bis 2025 soll das Zulassungsverfahren vereinfacht werden. Stiftung, Länder und Hochschulen arbeiten gemeinsam daran, «ein neues Verfahren zu entwickeln, welches weniger komplex ist», wie die dpa erfuhr.
Seit 2020 ist die Abiturnote nicht mehr Hauptkriterium für die Zulassung. 2022 wurden die Wartesemester abgeschafft, nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, dass die Eignung im Mittelpunkt stehen muss. In die Auswahl fließen jetzt verschiedene Kriterien ein: die Abiturnote, das Abschneiden in zusätzlichen Tests, Auswahlgespräche der Hochschulen, berufliche Vorerfahrung, kognitive, praktische und sozial-kommunikative Fähigkeiten. Kommen damit die Richtigen zum Zug? Ja, findet der Sprecher des Wissenschaftsministeriums: «Jedes Kriterium für sich hat – das ist durch Studien belegt – eine hohe Aussagekraft über die Eignung für ein Medizinstudium und auch den späteren Beruf.» Ärztekammerpräsident Pinkowski würde sich eine andere Gewichtung wünschen: «Nach meiner Überzeugung sollten die empathischen und ärztlichen Fähigkeiten per Test sowie Erfahrungen etwa als Sanitäter im Rettungsdienst noch stärker gewichtet werden als bisher.»
Dass die Abiturnote nach wie vor eine Rolle spielt, hält Pinkowski für richtig: «Wer Medizin studiert, sollte unter Beweis gestellt haben, lernen zu können, und gute Leistungen in Mathematik, Biologie und Chemie erbringen.» Eine Möglichkeit, auch ohne Spitzenabitur Medizin zu studieren, ist die «Landarztquote». Die Bewerber verpflichten sich, nach dem Studium entweder als Landarzt oder im öffentlichen Gesundheitsdienst zu arbeiten – und zwar für zehn Jahre. Bei Verstoß werden 250 000 Euro Strafe fällig. Knapp acht Prozent der Medizin-Studienplätze in Hessen sind dafür reserviert. In Auswahlverfahren steht nicht der Notendurchschnitt im Fokus, «sondern die persönliche und fachliche Eignung», so das Sozialministerium. 2022 sind laut Ministerium die ersten 58 Studierenden auf diesem Weg in ein Medizinstudium gestartet, 108 hatten sich beworben. Die Bewerbungsfrist für 2023 ist schon beendet, die Entscheidung aber noch nicht gefallen. Laut Sozialministerium werden vermutlich rund 75 Plätze für Landärzte und 15 für den öffentlichen Gesundheitsdienst zur Verfügung stehen. Los geht‘s dann im Oktober. Pinkowski sieht diese Landarztquote «äußerst kritisch». Sich so lange zu verpflichten, «ist nach meiner Überzeugung unrealistisch». Die Strafe könnten sich nur Privilegierte leisten. «Wir brauchen keine Modelle, sondern genügend reguläre Studienplätze.»
Frankfurt/Main (dpa/lhe)